Brandfährte (German Edition)
Raum.
Nach seiner üblichen Begrüßungsformel stellte Lars Diepenau die Beamten förmlich vor und gab dann an Tewes ab. Die Einführung in den Fall schien die Journalisten nicht besonders zu fesseln. Der Polizeipressesprecher bemerkte, dass von den Zeitungsredakteuren kaum jemand mitschrieb. Nur eine sehr junge Frau füllte Zeile für Zeile in ihrem Block und schaute kaum hoch. Sie saß neben Andrea Voss vom
Weser Kurier
. Lars Diepenau vermutete, dass die junge Frau eine Praktikantin war.
«… wir sind jetzt einen erheblichen Schritt weiter in den Ermittlungen und benötigen die Mithilfe der Öffentlichkeit», beendete Tewes seine Einführung. Dann hatte der Staatsanwalt das Wort. Später konnte Lars Diepenau genau sagen, ab welchem Punkt die Pressekonferenz die Medienleute wirklich zu interessieren begann. Es war das Wort «Stalker», bei dem alle aufhorchten.
«Das Tötungsdelikt in Findorff ist vermutlich das dramatische Finale in der Beziehung zwischen einem Stalker und seinem Opfer.» Degert fasste, wie sie es zuvor in kleiner Runde besprochen hatten, die bisherigen Ergebnisse zusammen und übergab dann an Steenhoff.
Am Ende hatten die Journalisten einen ganzen Fragenkatalog, den sie gut verpackt in Interviews oder einem Artikel an ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer weitergeben sollten. Unter anderem interessierte die Ermittler, wer sich an einen Malkurs mit Maike Ahlers erinnern konnte. Die bisherigen Erkundigungen bei der Volkshochschule und den Künstlerateliers mit Kursangeboten hatten nichts ergeben.
«Gibt es noch Fragen?» Lars Diepenau leitete nach einer knappen halben Stunde das Ende der Pressekonferenz ein.
Jemand wollte wissen, ob Maike Ahlers einen Freund oder Exfreund zum Zeitpunkt ihres Todes hatte. Steenhoff betonte, dass keine Hinweise auf eine aktuelle Liebesbeziehung vorlägen. Die junge Frau sei nach den bisherigen Erkenntnissen seit einem knappen Jahr allein gewesen. Da das Opfer aber in den Monaten vor seinem Tod sehr zurückgezogen gelebt habe, könne man nicht ausschließen, dass es noch Kontakte gegeben habe, von denen die Mordkommission bislang nichts wisse. Eine heimliche Beziehung zu einem Mann sei aber nichts weiter als Spekulation, bemerkte Steenhoff und sah demonstrativ zu Andrea Voss. «Wir sind für alle Hinweise zu Maike Ahlers dankbar», beendete Steenhoff seine Ausführungen.
Ein Mann von der Boulevardpresse wollte wissen, ob das Opfer ihren Stalker nicht angezeigt habe. Tewes sah Steenhoff an. Er sollte die heikle Frage beantworten.
«Uns liegt keine Anzeige wegen Stalkings vor», antwortete Steenhoff knapp.
«Und andere Anzeigen?», preschte Andrea Voss vor. Eine Kollegin, die sich lange vor ihr gemeldet hatte, sah die Reporterin böse an. Aber die tat so, als würde sie es gar nicht bemerken.
«Es gibt eine Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen unbekannt.»
«Und was ist damals beschädigt worden?», bohrte Andrea Voss weiter.
«Die vier Reifen ihres Autos.» Den aufgeschlitzten Sattel und den Fahrradschlauch erwähnte er nicht.
«Gab es Kontakt zwischen einem Stalkingbeauftragten der Polizei und dem Opfer?», wollte ein Mitarbeiter des lokalen Fernsehsenders wissen.
«Nein.» Langsam wurde es unangenehm. Steenhoff hoffte, dass die Journalisten nicht weiter nachfragen würden. Er hatte nicht vor, Georg Maler für seine Nachlässigkeit ans Messer zu liefern, aber er würde auch nicht für ihn lügen. Das hatte er mit Tewes im Vorgespräch abgeklärt.
Der
taz
-Reporterin brannte jedoch eine andere Frage unter den Nägeln. Sie erkundigte sich, ob Maike Ahlers bei der Bremer Selbsthilfegruppe für Stalkingopfer Unterstützung gesucht habe. Die Frage machte Steenhoff nervös. An die kleine Gruppe, die sich seit zwei Jahren unter der Regie einer resoluten Frau regelmäßig traf, hatte er noch gar nicht gedacht.
«Die Ermittlungen in diese Richtung laufen noch», erwiderte er kurz und nickte Rüttger zu, sich den Punkt zu notieren. Zufrieden stellte er fest, dass sein Kollege sich bereits Notizen machte. Soweit sie es sich personell leisten konnten, saß bei den Pressekonferenzen immer jemand aus der Ermittlungsgruppe dabei und notierte sich bestimmte Fragen und Einwürfe der Reporter. In den vergangenen Jahren hatte es wiederholt Pressekonferenzen gegeben, in denen jemand aus dem Pool der vielen Medienleute unbewusst mit einer Nachfrage die Ermittler auf neue Gedanken gebracht hatte.
Nach dem offiziellen Teil baten noch einige Redakteure Steenhoff und Jens
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