Brandfährte (German Edition)
sie ständig verfolgt.» Die Arzthelferin erschien ihm an diesem Abend nicht mehr zickig, sondern sehr zerbrechlich, und er lud sie auf einen Tee in seine Wohnung ein. «Die war eigentlich ganz nett. Aber irgendwie auch komisch.»
«Was heißt komisch?»
Nils Weber suchte nach Worten. «Na, Maike wirkte wie auf dem Sprung. Sie saß die ganze Zeit ganz vorn auf meinem Sofa, als wollte sie jeden Moment aufstehen und gehen.» Er rutschte auf seinem Stuhl nach vorn und versuchte, die Frau zu imitieren.
«Hat sie gesagt, wo sie den Mann kennengelernt hat?»
Er schüttelte verzweifelt den Kopf. «Das haben Sie mich jetzt schon dreimal in abgeänderter Form gefragt. Ja, sie hat so etwas angedeutet, aber ich kriege es einfach nicht mehr zusammen. Sie hat mir gesagt, dass sie ein paar Tage zuvor bei der Polizei gewesen sei und eine Sachbeschädigung des Mannes angezeigt habe. Damit war für mich die Sache in professionellen Händen und erledigt.»
Am frühen Abend waren sie endlich fertig. Da kein Drucker im Vernehmungszimmer stand, ließ Petersen das Protokoll in ihrem Zimmer ausdrucken und bat den Zeugen, sie in ihr Büro zu begleiten, um es dort zu unterschreiben. Steenhoff saß über Unterlagen gebeugt an seinem Schreibtisch und schaute nur kurz auf, als die beiden den Raum betraten.
«Cool. Sie haben wohl ein Faible für die norddeutschen Maler?», sagte der Student und schaute sich in dem kleinen Zimmer um. «Mein Kollege ist Emil-Nolde-Fan. Ich mag seine Bildsprache auch, aber die alten Worpsweder sind mir lieber.»
Nach einigen Anmerkungen unterschrieb Nils Weber schließlich das Protokoll und verabschiedete sich von Petersen. «Also, wenn Sie den Fall geklärt haben, erzählen Sie mir, wie Sie ausgerechnet hierher gekommen sind. Sie haben’s versprochen.»
«Falsch», erwiderte Petersen schmunzelnd. «Ich sagte, dass ich Ihnen Ihre Frage vielleicht unter gewissen Umständen beantworten würde. Aber das ist eine längere Geschichte.»
«Kein Problem, ich mag Geschichten.»
Petersen seufzte und schob den jungen Mann sanft aus dem Büro. Dann beschrieb sie ihm den Weg zur Pforte. Draußen regnete es heftig, und sie hoffte, dass es niemandem auffallen würde, dass sie den Zeugen nicht übers Präsidiumsgelände begleitete.
Kaum saß sie wieder an ihrem Schreibtisch, klopfte es an der Tür.
Steenhoff lächelte sie an. «Wetten, dass das dein Fan ist?»
Er riss die Tür mit Schwung auf, und Nils Weber fiel vor Schreck fast über die Schwelle.
Der junge Mann sah die beiden Beamten triumphierend an. «Ich weiß jetzt, wo Maike den Typen kennengelernt hat.»
Petersen und Steenhoff hielten die Luft an.
«Die haben sich zufällig in einem Malkurs getroffen. Ich glaub, sie hatte eine Vorliebe für diese Paula Modersohn.»
15
Die Pressekonferenz im zweiten Stock des Präsidiums war gut besucht. Zwei Privatsender waren mit Fernsehteams angerückt. Lars Diepenau kannte die meisten der Journalisten. Zwei Rundfunkredakteure hantierten an ihren Mikrophonen und Aufnahmegeräten. Die Kameraleute prüften das Licht im Raum und filmten schon mal ihre Kollegen. Die Zeitungsredakteure wiederum saßen unruhig vor ihren leeren Notizblöcken und warteten, dass es losging.
Die Mordkommission hatte erst wenige Stunden zuvor zur Pressekonferenz geladen. Wie immer hatten ein paar Journalisten über den knappen Vorlauf gemault und auf ihre Terminnot verwiesen. Aber erschienen waren sie natürlich trotzdem. Schließlich war das 1 . Kommissariat immer für eine tragende Geschichte gut. Und da die Konkurrenz das auch so sah, konnte es sich keiner der Medienvertreter leisten, nur auf die Pressemitteilung aus dem Präsidium zu warten.
Pressesprecher Lars Diepenau ließ eine Liste herumgehen, in die sich die Journalisten routinemäßig eintrugen. Viele von ihnen waren aktuell mit anderen Themen befasst. Der Pressesprecher der Polizei wusste, dass zwei von ihnen viele Stunden im Bremer Landgericht zubrachten. Dort wurde gerade über eine Schießerei im Discothekenviertel der Stadt verhandelt. Andere recherchierten an einem Klinikskandal, der die Stadt in den vergangenen Monaten erschüttert hatte. Lars Diepenau ahnte, dass es nicht leicht sein würde, bei der Brisanz der übrigen Themen einen prominenten Platz für ihren Mordfall in den Medien zu bekommen.
Zwei Minuten vor halb zwölf betraten Steenhoff und Rüttger sowie Kommissariatsleiter Bernd Tewes und der für Kapitaldelikte zuständige Staatsanwalt Jens Degert den
Weitere Kostenlose Bücher