Brandfährte (German Edition)
Gottes willen. Nein! Diese Geschichte kennen nur meine Tochter, meine Mutter und jetzt Sie.»
Steenhoff verabredete mit Petra Melchers, in Kontakt zu bleiben. Er war sich sicher, dass die erfahrene Frau ihnen noch würde weiterhelfen können. Die Gruppenleiterin versprach, ihre Unterlagen nach einem Mann durchzugehen, der dem gesuchten Täter entsprechen könnte. Außerdem sagte sie Steenhoff zu, ihn zu benachrichtigen, falls ihr ein neuer Fall bekannt werde, der Parallelen zu Maike Ahlers’ Geschichte aufweise. «Ich brauche natürlich immer das Einverständnis der Frauen. Längst nicht alle gehen zur Polizei und zeigen ihren Verfolger an. Wenn ich über den Kopf der Betroffenen hinweg den Kontakt zur Polizei herstellen würde, hätte die Frau wieder die Kontrolle über eine Situation verloren. Das dürfte ich auf keinen Fall tun, sonst würde jegliches Vertrauen zu mir verloren gehen.»
Auf dem Weg nach Hause machte Steenhoff einen Umweg über Hastedt. Vielleicht hatte er Glück, und Martina Benke war zu Hause. Ans Telefon ging sie jedenfalls nicht. Schon aus 50 Meter Entfernung sah er, dass Helene Geldmann nicht übertrieben hatte. Der Vorgarten glich einem umgepflügten Acker. Die Gehwegplatten waren an die Hauswand gelehnt. Jemand hatte kleine braune Natursteine locker in den Boden gelegt, wo einst der Weg verlief. Da die Steine aber noch nicht verlegt waren, war Martina Benke in den vergangenen Wochen wohl immer links von den Steinen zum Haus gelaufen. Davon zeugte ein kleiner Trampelpfad.
Auf sein energisches Klingeln machte niemand auf. Verstohlen sah sich Steenhoff um. Dann ging er kurzentschlossen in die Knie und klappte den Briefschlitz auf. Erschrocken fuhr er zurück. Auf der anderen Seite der Tür starrten Steenhoff ein paar weit aufgerissene braune Augen an.
16
Steenhoff fühlte einen leichten Schwindel, als er ruckartig aus der Hocke nach oben schnellte. Im selben Moment riss Martina Benke auch schon die Haustür auf. Steenhoff suchte vergeblich nach Worten, um die Situation zu erklären. Auch Martina Benke schien verlegen.
«Es ist also doch jemand zu Hause», fasste er sich als Erster wieder.
Die Frau fuhr sich über ihre hochgesteckten Haare und stammelte: «Ich, ich dachte, es ist vielleicht wieder dieser grässliche Herr Geldmann, der vor der Tür steht.»
Sie musterte den Besucher verstohlen und wartete darauf, dass er sich vorstellte.
Steenhoff beeilte sich, die peinliche Situation zu überspielen. «Mein Name ist Frank Steenhoff. Ich bin der Neffe Ihrer verstorbenen Vermieterin. Meine Frau hatte Sie ja schon telefonisch über ihren plötzlichen Tod informiert.»
«Mein herzliches Beileid», sagte Martina Benke. «Ist ja immer schrecklich für die Angehörigen, wenn jemand so plötzlich stirbt.» Ihr Mitgefühl klang echt.
Sie sah hilflos hinter sich ins Chaos. «Ich bin gerade dabei, ein wenig zu renovieren. Eigentlich bin ich nicht auf Besuch eingestellt.» Doch dann gab sie sich einen Ruck. «Aber wenn es Sie nicht stört, dann kommen Sie doch herein.»
Geschickt umrundete sie zwei große Farbeimer, machte einen Schritt über eine umgefallene Tapetenrolle und schob mit dem Fuß vorsichtig zwei Gläser mit gebrauchten Pinseln an die Seite. Sie drehte sich lächelnd zu Steenhoff um und stieß mit der rechten Schulter gegen die ausgehängte und nur auf einer Seite grob abgeschliffene Zimmertür.
Der Zusammenstoß tat weh. Aber sie zuckte nur kurz zusammen und rieb sich mit der linken Hand die Schulter.
«Setzen Sie sich doch, ich koch uns schnell einen Kaffee.»
Verblüfft schaute sich Steenhoff in dem kleinen quadratisch geschnittenen Wohnzimmer um. Martina Benke hatte alle Bilder von der Wand genommen und die Tapeten zur Probe mit unterschiedlichen Farbanstrichen versehen. Über dem Sofa und den beiden Sesseln waren durchsichtige Schutzplanen ausgebreitet. Offenbar hatte sie auch vor, das Sofa neu beziehen zu lassen. Mehrere Kataloge mit Stoffmustern stapelten sich auf dem Boden.
Steenhoff stand noch immer ratlos in der Mitte des Raumes, als er hinter sich ein Seufzen hörte.
«Am besten kommen sie mit in die Küche. Das ist zurzeit mein liebstes Refugium.»
Die kleine, in sanftem Grün gestrichene Küche mit den leuchtend roten Vorhängen am Fenster und den geordneten Regalen wirkte wie eine Oase in dem Chaos.
Die Frau hatte in der kurzen Zeit mit ein paar Handgriffen den Holztisch hübsch gedeckt und auch eine kleine Kerze angezündet. In der Mitte des Tisches
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