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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Schulterhalfter, doch der Colt war eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, wenn er eine Situation als bedrohlich empfand. Dies ungewöhnliche Verhalten sagte mir, dass Benton, nachdem er den Schauplatz des Brandes in Lehigh verlassen hatte, in irgendeiner Mission unterwegs gewesen war. Ich hatte den Verdacht, dass er sich mit irgendjemandem hatte treffen wollen, und ich konnte nicht begreifen, warum er das niemandem mitgeteilt hatte, es sei denn, er wäre nachlässig geworden, und das bezweifelte ich. Ich holte seinen braunen Terminkalender heraus und blätterte ihn in der Hoffnung durch, auf irgendeinen aktuellen Termin zu stoßen. Da waren ein Friseurtermin, ein Zahnarzttermin und bevorstehende Reisetermine vermerkt, doch für den Tag seines Todes gab es keinerlei Eintragung, außer dem Geburtstag seiner Tochter Michelle Mitte nächster Woche. Ich stellte mir vor, dass sie und ihre Schwestern jetzt bei ihrer Mutter Connie, Bentons früherer Frau, wären. Mir graute bei dem Gedanken, dass der gemeinsame Kummer uns irgendwann zusammenführen würde, was immer sie auch von mir denken mochten. Er hatte Kommentare und Fragen zu Carries Täterprofil hineingekritzelt, dem Profil des Monsters, das bald danach seinen Tod verschulde t hatte. Es lag eine unvorstellbare Ironie in der VorStellung, wie er Carries Verhalten zu sezieren versucht hatte, in der Hoffnung, ihr bei ihren möglichen Untaten zuvorzukommen. Bestimmt war ihm niemals der Gedanke gekommen, dass sie, während er seine Gedanken auf sie konzentrierte, wahrscheinlich über ihn nachdachte. Sie hatte Lehigh County und das Videoband geplant und tourte zurzeit vermutlich als Mitglied eines Filmteams durch die Gegend.
    Mein Blick blieb an ein paar handschriftlichen Notizen hängen: Täter-Opfer-Beziehung/Fixierung und Identitätsverschmelzung/Erotomanie und Opfer wird als überlegen wahrgenommen. Auf die Rückseite des Blattes hatte er gekritzelt: Leben verläuft nach Muster. Wie passt Carries Opferhaltung dazu? Kirby. Welcher Zugang zu Claire Rawley? Allem Anschein nach gar keiner. Zusammenhanglos. Lässt das auf anderen Täter schließen? Komplizen? Gault. Bonnie und Clyde. Ihr ursprünglicher MO könnte hier durchschlagen. Carrie nicht allein. Frau/Mann 28-45? Weißer Hubschrauber?
    Es überlief mich kalt, als mir klar wurde, was Benton gedacht hatte, während er in der Leichenhalle stand, sich Notizen machte und Gerde und mich bei der Arbeit beobachtete. Benton war in dem Augenblick klar geworden, was plötzlich auf der Hand zu liegen schien. Carrie war nicht die einzige Beteiligte in dieser Geschichte. Sie hatte sich auf irgendeine Weise mit einem bösartigen Partner zusammengetan, vielleicht während sie in Kirby einsaß. Völlig außer Frage stand für mich, dass diese Zusammenarbeit ihrer Flucht vorangegangen war, und ich überlegte, ob sie wohl während der fünf Jahre, die sie dort verbrachte, einen anderen psychopathischen, Patienten kennen gelernt haben konnte, der dann irgendwann entlassen worden war. Vielleicht hatte sie j a mit ihm ebenso ungeniert und dreist korrespondiert, wie sie es mit den Medien und mir getan hatte. Aufschlussreich war auch, dass Bentons Aktenkoffer in seinem Hotelzimmer gefunden worden war, denn ich wusste, dass er ihn zuvor im Leichenschauhaus noch bei sich gehabt hatte. Offensichtlich war er in sein Hotelzimmer zurückgekehrt, nachdem er den Schauplatz des Brandes in Lehigh County verlassen hatte.
    Wohin er danach gegangen war und warum, blieb ein Rätsel. Ich las weiter in seinen Notizen über den Mord an Kellie Shephard. Benton hatte die Stichwörter Overkill, übermotiviert und unorganisiert hervorgehoben. Außerdem stand dort: Kontrolle verloren und Reaktion des Opfers nicht nach Plan. Ritueller Ablauf durchkreuzt. War so nicht beabsichtigt gewesen. Wut. Wird bald erneut töten.
    Ich machte den Aktenkoffer wieder zu und ließ ihn auf dem Bett liegen. Tief bekümmert verließ ich Bentons Zimmer, machte das Licht aus und schloss die Tür. Ich wusste, wenn ich es beim nächsten Mal betreten würde, dann in der Absicht, Bentons Schrank und Schubladen auszuräumen und der Tatsache ins Auge zu blicken, dass ich künftig mit seiner Abwesenheit würde leben müssen, die sich auf Schritt und Tritt bemerkbar machen würde. Leise betrat ich Lucys Zimmer und fand sie schlafend, die Pistole auf dem Tisch neben dem Bett. Meine ruhelosen Wanderungen führten mich in die Diele, wo ich die Alarmanlage gerade so lange ausschaltete, um hastig

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