Brandherd
un d Monumenten vorbei zu Stonewall Jackson und George Washington. Ich dachte an Kenneth Sparkes, an seinen politischen Einfluss. Ich erinnerte mich wieder an die Mischung aus Angst und Faszination, die ich empfunden hatte, als er mit immer neuen Forderungen und Beschwerden anrief. Er tat mir jetzt schrecklich Leid.
Alles, was in allerletzter Zeit geschehen war, hatte seinen Namen nicht vom Verdacht befreien können, und zwar aus dem einfachen Grund, dass einige von uns zwar mittlerweile wussten, dass wir es höchstwahrscheinlich mit einem Serientäter zu tun hatten, aber nicht befugt waren, derlei Informationen an die Presse weiterzugeben. Ich verspürte das verzweifelte Verlangen, mit ihm zu sprechen, ihm die Last von der Seele zu nehmen, als könnte ich dadurch meine eigene loswerden. Niedergeschlagenheit umklammerte meine Brust wie eine kalte, eiserne Hand, und als ich von der Jackson Street in die Tiefgarage meines Dienstgebäudes einbog, versetzte mir der Anblick eines Leichenwagens, aus dem gerade eine in einen schwarzen Sack gehüllte Leiche ausgeladen wurde, einen Schock, wie ich ihn bislang noch nicht erlebt hatte.
Ich versuchte, die Vorstellung beiseite zu schieben, dass auch Benton so eingehüllt sein könnte oder in einem kalten Raum aus Edelstahl läge, wenn die Kühlraumtür geschlossen wurde. Es war schrecklich, all das zu wissen, was ich wusste. Der Tod war nichts Abstraktes, und ich vermochte mir jeden einzelnen Schritt, jedes Geräusch und jeden Geruch an diesem Ort zu vergegenwärtigen, wo es keine liebevolle Berührung gab, sondern nur eine klinische Objektivität, die wiederum der Aufklärung eines Verbrechens dienen sollte. Ich stieg aus dem Wagen, als Marino neben mir hielt.
»Was dagegen, wenn ich meinen Wagen hie r reinstelle?«, fragte er, obwohl er wusste, dass die Tiefgarage nicht für Polizeibeamte bestimmt war. Marino und die Vorschriften waren ein nimmer endendes Kapitel.
»Nur zu«, antwortete ich. »Einer der Transporter ist in der Werkstatt. Glaube ich wenigstens. Und Sie werden sowieso nicht lange hier bleiben.«
»Wie zum Teufel wollen Sie das wissen?«
Er schloss seinen Wagen ab und schnipste die Zigarettenasche zu Boden. Er war wieder der alte, rüde Marino, und ich empfand das als ungeheuer beruhigend.
»Gehen Sie erst in Ihr Büro?«, fragte er, während wir einer Rampe folgten, von der die Türen zum Leichenschauhaus abgingen.
»Nein, direkt nach oben.«
»Dann kann ich Ihnen sagen, was wahrscheinlich schon auf Ihrem Schreibtisch liegt«, sagte er. »Wir haben eine positive I.D. für Claire Rawley bekommen. Von dem Haar an ihrer Bürste.«
Das überraschte mich zwar nicht, aber die Bestätigung bewirkte, dass ich einmal mehr an diesem Morgen sehr traurig wurde.
»Danke«, sagte ich, »dann wissen wir wenigstens Bescheid.«
19
Die Labors der Spurensicherung lagen im dritten Stock, und mein erster Gang führte zum Scanning electron microscope oder SEM, dem elektronischen Rastermikroskop, das ein Präparat wie etwa die Metallspäne vom Shephard-Fall einem Elektronenstrahl aussetzte. Die Elemente, aus denen eine solche Probe bestand, sandten bei der Untersuchung Elektronen aus, deren Bilder auf einen Videobildschirm projiziert wurden. Mit einem Wort, das SEM erkannte nahezu alle der einhundertunddrei Elemente, ob es sich nun um Kohlenstoff, Kupfer oder Zink handelte, und wegen der mikroskopischen Tiefenschärfe, der hohen Auflösung und der enormen Vergrößerung ließen sich Spuren wie etwa Pulverrückstände oder die Härchen eines Marihuanablattes auf eine erstaunliche, ja unheimliche Weise im Detail betrachten.
Das Zeiss SEM hatte seinen exponierten Platz in einem fensterlosen Raum mit blaugrünen und beigefarbenen Wandschränken und Regalen, Arbeitsplatten und Becken. Weil das ungeheuer kostpielige Instrument sehr sensibel auf mechanische Schwingungen, Magnetfelder und elektrische sowie thermische Störungen reagierte, wurde sein Umfeld peinlicher Kontrolle unterworfen.
Ventilation und Klimaanlage waren unabhängig vom übrigen Gebäude, und auch fotografisch sicheres, indirektes Licht, das keine elektrischen Störungen verursachte, wurde von speziellen Glühfadenlampen an die Decke projiziert, um den Raum nur schwach durch Reflektion zu beleuchten. Die Böden und Wände bestanden aus dickem, mit Stahlträgern verstärktem Beton , die gegen durch Menschenkraft verursachte Erschütterungen, auch durch die des Verkehrs auf der Schnellstraße, unempfindlich
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