Brandherd
eventuelle Bluterguss in der Nähe ihres linken Auges. Was kann das heißen? Vielleicht hat sie ja gebadet oder geduscht? Dann überwältigt sie das Kohlenmonoxid, und sie fällt und schlägt sich den Kopf an?«
»Nur, dass sie vollständig bekleidet war, als sie starb«, erinnerte ich sie. »Einschließlich der Stiefel. Wenn der Rauchmelder losgeht, während du in der Wanne oder unter der Dusche bist, wirst du dir wohl schwerlich die Zeit nehmen, dich von Kopf bis Fuß anzuziehen.«
Lucy drehte die Musik noch lauter und regulierte die Bässe.
Glöckchen klingelten zu den Trommeln, und ich musste seltsamerweise an Weihrauch und Myrrhe denken. Ich sehnte mich danach, mit Benton in der Sonne zu liegen und zu schlafen. Ich sehnte mich danach, den Ozean über meine Füße schwappen zu spüren, während ich auf meinem morgendlichen Spaziergang den Strand erkundete, und ich erinnerte mich an meine letzte Begegnung mit Kenneth Sparkes. Ich rechnete damit, dass als Nächstes seine Überreste auftauchen würden.
»Das hier heißt Die Wolfsjagd«, sagte Lucy, während sie in eine Shell-Tankstelle einbog und vor dem weißen Backsteingebäude mit dem Shop hielt. »Und vielleicht ist es ja das, was wir gerade machen, hm? Den großen, bösen Wolf jagen.«
»Nein«, sagte ich, während sie parkte. »Ich glaube, wir suchen nach einem Drachen.«
Sie zog sich eine Nike-Windjacke über ihre Pistole und ihren Drillichanzug.
»Du hast nichts gesehen«, sagte sie, während sie ihre Tür öffnete. »Teun würde mir in den Arsch treten, dass ich bis zum Mond flöge.«
»Du bist zu viel mit Marino zusammen gewesen«, sagte ich, denn der kümmerte sich herzlich wenig um die Vorschriften und war dafür bekannt, dass er im Kofferraum seines zivilen Dienstwagens Bier nach Hause schaffte.
Lucy ging hinein, und ich bezweifelte, dass sie mit ihren schmutzigen Stiefeln, den ausgeblichenen Hosen mit den auffällig vielen Taschen und dem hartnäckigen Brandgeruch irgendjemanden zu täuschen vermochte. Ein Keyboard und eine Kuhglocke begannen einen andersartigen Rhythmus auf der CD, während ich im Wagen wartete und mich nach Schlaf sehnte. Lucy kehrt e mit einem Sechserpack Heineken zurück, und wir fuhren weiter, während ich unter Flöten- und Schlagzeugklängen dahindämmerte, bis mich plötzlich auftauchende Bilder aus dem Sitz hochfahren ließen. Ich sah entblößte kalkweiße Zähne vor mir und tote Augen von der graubläulichen Farbe hart gekochter Eier.
Haar waberte und schwebte wie schmutzige Maisfäden in schwarzem Wasser, und krakeliertes, geschmolzenes Glas bildete ein raffiniertes glitzerndes Netz über dem, was vom Körper übrig geblieben war.
»Ist alles in Ordnung?« Lucy sah mich besorgt von der Seite an.
»Ich glaube, ich war eingeschlafen«, sagte ich. »Es fehlt mir nichts.«
Johnson's Motel lag unmittelbar vor uns auf der anderen Seite des Highway. Es war ein Steingebäude mit einer rotweißen Markise, und das rotgelbe Neonschild davor verhieß, es sei vierundzwanzig Stunden geöffnet und vollklimatisiert. Die BELEGT-Hälfte des weithin sichtbaren Leuchtschildes war dunkel, eine erfreuliche Nachricht für diejenigen, die einen Platz zum Übernachten suchten. Wir stiegen aus, und eine Matte vor dem Eingang begrüßte uns mit einem HALLO. Lucy läutete. Eine dicke, schwarze Katze kam an die Tür, und dann öffnete uns eine dicke Frau, die aus dem Nichts gekommen zu sein schien, und ließ uns eintreten.
»Es müsste ein Zweibettzimmer für uns reserviert sein«, sagte Lucy.
»Das Zimmer muss bis elf geräumt sein«, erklärte die Frau, während sie den Tresen umrundete. »Ich kann Ihnen die Fünfzehn geben, das ist ganz am Ende.«
»Wir sind vom ATF«, sagte Lucy.
»Das habe ich mir fast schon gedacht, Honey. Di e andere Dame war gerade hier. Es ist alles bezahlt.«
Ein Schild über der Tür besagte »Keine Schecks«, hieß jedoch Mastercard- und Visa-Besitzer willkommen, und ich dachte an McGovern und ihre organisatorische Findigkeit.
»Brauchen Sie zwei Schlüssel?«, fragte die Motelangestellte, während sie eine Schublade öffnete.
»Ja, Ma'am.«
»Das wär's dann, Honey, und zwei schöne Betten sind auch drin.
Falls ich nicht da bin, wenn Sie aufbrechen, lassen Sie die Schlüssel einfach auf dem Tresen.«
»Sicherheit wird hier offenbar großgeschrieben«, sagte Lucy scherzhaft.
»Und ob. Wir haben an jeder Tür 'ne Zweifachverriegelung.«
»Wie lange gibt's denn Zimmerservice?« Lucy hatte offenbar
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