Brandherd
die im Haus waren, standen draußen und haben zugesehen und die Sirenen gehört.
Die armen, armen Pferde. Ich komme gar nicht darüber weg.«
»Kennen Sie Kenneth Sparkes denn?« Ich sprach die Frage aus, noch während sie mir in den Sinn kam.
»Ich kann nicht behaupten, ihn je persönlich gesehen zu haben.«
»Und von einer Frau, die bei ihm wohnte?«, fragte ich. »Haben Sie was davon gehört?«
»Nur, was die Leute so reden.« Helen blickte auf die Tür, als könne dort jede Sekunde jemand auftauchen.
»Beispielsweise?«, hakte ich nach.
»Na ja, Mr. Sparkes ist ein ziemlicher Gentleman, sie wissen schon«, sagte Helen. »Nicht, dass das hier gut angekommen wäre, doch er ist ja nicht irgendwer. Er mag eben junge, hübsche Dinger.«
Sie dachte einen Moment nach und sah mich dann an.
Vor dem Fenster flatterten Nachtfalter.
»Manche haben sich aufgeregt, wenn er wieder mal 'ne Neue hatte«, sagte sie. »Egal, was die Leute sagen, aber das ist hier eben immer noch alter Süden, wissen Sie.«
»Irgendjemand Besonderes, der sich aufgeregt hat«, fragte ich.
»Na ja, die Jackson-Jungs. Die stecken ständig in irgendwelchen Schwierigkeiten«, sagte sie und beobachtete immer noch die Tür.
»Die mögen nun mal keine Farbigen. Und sich mit 'ner hübschen, jungen Weißen zeigen - das tut er nun mal gern ... Na, es gab halt Gerede. Ich will's mal so ausdrücken.«
Ich stellte mir Angehörige des Ku-Klux-Klan mit brennenden Kreuzen vor und Verfechter der Überlegenheit der weißen Rasse mit Gewehren. Ich hatte schon erlebt, was Hass ist. Ich hatte den größten Teil meines Lebens meine Hände in Blutbäder getaucht, die er angerichtet hatte. Beklommen wünschte ich Helen, der Motelangestellten, eine gute Nacht. Ich bemühte mich, keinen voreiligen Zusammenhang zwischen Vorurteilen und Brandstiftung herzustellen, und darüber zu spekulieren, wer das Opfer war, auf das sie abgezielt hatten, das vielleicht Sparkes hätte sein sollen und nicht die Frau, deren Leiche zur Stunde unterwegs nach Richmond war. Vielleicht hatten die Eindringlinge es auch nur auf Sparkes' Besitztümer abgesehen und gar nicht gewusst, dass jemand zu Hause war.
Der Mann im Unterhemd stand in der Telefonzelle, als ich hinaustrat. Geistesabwesend hielt er seine neue Glühbirne in der Hand und sprach mit leiser, eindringlicher Stimme. Als ich vorbeiging, wurde er gerade laut.
»Verdammt noch mal, Louise! Das sage ich ja. Nie hörs t du auf zu zetern«, knurrte er in den Hörer. Ich beschloss, Benton später anzurufen.
Ich schloss die rote Tür zu Zimmer 15 auf. Lucy saß in einem Schaukelstuhl, über einen Spiralblock gebeugt, machte sich Notizen und rechnete. Sie tat so, als hätte sie nicht auf mich gewartet, hatte ihr Fast-Food-Dinner jedoch nicht angerührt, dabei wusste ich, sie war halb verhungert. Ich nahm die Whopper und die Pommes frites aus dem Beutel, stellte das Essen auf einen Tisch in ihrer Reichweite und legte Servietten dazu.
»Alles ist kalt«, sagte ich einfach nur.
»Man gewöhnt sich dran.« Ihre Stimme war distanziert und zerstreut.
»Möchtest du zuerst duschen?«, fragte ich höflich.
»Geh ruhig«, sagte sie, stirnrunzelnd in ihre Mathematik vertieft.
Unser Zimmer war für seinen Preis beeindruckend sauber. Es war in Brauntönen gehalten, und der Zenith-Fernseher war fast so alt wie meine Nichte. Es gab chinesische Papierballons und Wandleuchten mit langen Quasten, Porzellanfigürchen, Stillleben in Öl und Bettüberwürfe mit Blumenmuster. Der Teppichboden war etwas Dickes, Zotteliges mit indianischem Muster, und die Tapete schmückten Motive einer Waldlandschaft. Das Mobiliar war aus einem Holzimitat und so dick mit Klarlack überstrichen, dass man kaum die künstliche Maserung erkennen konnte.
Ich inspizierte das Bad und schätzte, dass seine weißen und stumpfrosa Fliesen aus den fünfziger Jahren stammten. Auf der Ablage standen Zahnputzbecher aus Styropor, und am Waschbecken lagen winzige, eingewickelte Stückchen Seife, Marke Lisa Luxury. Doc h die einzelne rote Plastikrose, die in einem Fenster stand, rührte mich am meisten. Irgendwer hatte versucht, mit wenig Mitteln alles zu tun, damit der Gast sich gut behandelt fühlte, und ich bezweifelte, dass die Mehrzahl der Gäste das überhaupt bemerkte oder Wert darauf legte. Vor vierzig Jahren hätte eine derartige Erfindungsgabe und Aufmerksamkeit vielleicht eine Rolle gespielt, als die Menschen noch zivilisierter waren, als sie es jetzt zu sein
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