Brandherd
ebenfalls aufgeschrieben.« Tom platzte fast vor Stolz. »Die Bestellungen sind also alle nicht von Ihnen, Dr. Scarpetta?«, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach.
»Nein, Sir«, antwortete ich. »Und wenn hier heute Nacht noch irgendwer aufkreuzt, dann rufen Sie mich bitte umgehend an.«
»Und mich auch«, sagte Marino und kritzelte seine Privatnummer auf eine dienstliche Visitenkarte. »Ist mir piepegal, wie spät es ist.«
Ich reichte Marinos Visitenkarte zu meinem Fenster hinaus, und Tom musterte sie gründlich, obwohl Marino schon x-mal durch dies Tor gefahren war.
»Alles klar, Captain«, sagte Tom mit einem nachdrücklichen Nicken. »Gut, Sir, sowie hier noch jemand auftaucht, gebe ich Laut, und wenn Sie wollen, kann ich die auch solange festhalten, bis Sie da sind.«
»Tun Sie das nicht«, sagte Marino. »Irgend so ein Bengel mit 'ner Pizza weiß ja doch nichts. Und falls es echten Ärger gibt, möchte ich nicht, dass Sie sich mit irgendjemandem anlegen, egal, wer das ist.«
Ich wusste genau, dass er an Carrie dachte.
»Ich bin ziemlich zäh. Aber Sie haben völlig Recht, Captain.«
»Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, Tom«, lobte ich ihn.
»Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.« »Dafür bin ich doch da.«
Er drückte auf seinen verborgenen Kontrollknopf und ließ uns durch die Schranke.
»Ich höre«, sagte ich zu Marino.
»Irgend so ein Arschloch ärgert Sie«, sagte er, und seine Miene, die in Abständen vom Laternenschein in Licht getaucht wurde, war grimmig. »Versucht, Sie zu beunruhigen, Ihnen Angst einzujagen, Sie zu verarschen, und er macht das ungeheuer geschickt, muss man zugeben.«
»Sie glauben doch nicht, dass Carrie .«, setzte ich an.
»Ich weiß es nicht«, unterbrach Marino mich. »Doch es würde mich nicht überraschen. Ihr Viertel ist schließlich oft genug in den Nachrichten erwähnt worden.«
»Es wäre wahrscheinlich nützlich zu wissen, ob die Bestellungen hier am Ort aufgegeben worden sind«, sagte ich.
»Du lieber Himmel«, sagte er, während ich in meine Einfahrt bog und hinter seinem Wagen parkte. »Das hoffe ich nun wirklich nicht. Es sei denn, es gibt noch andere, die Sie auf den Arm nehmen wollen.«
»Wer will noch mal, wer hat noch nicht.«
Ich stellte den Motor ab.
»Ich kann auf Ihrer Couch übernachten, wenn Sie das möchten«, sagte Marino, als er seine Tür öffnete.
»Kommt gar nicht in Frage«, sagte ich. »Mir passiert schon nichts. Solange hier keine Bauschuttcontainer auftauchen. Dann hätte ich's mir mit meinen Nachbarn wohl endgültig verdorben.«
»Ich weiß sowieso nicht, warum Sie hier wohnen.«
»Doch, das wissen Sie.«
Er holte eine Zigarette hervor und hatte deutlich nicht die Absicht, irgendwohin zu gehen.
»Richtig. Der Wachmann am Tor. Genauso wirksam wie ein Placebo.«
»Wenn Sie nicht mehr Auto fahren wollen, werde ich Sie mit Vergnügen auf meiner Couch unterbringen.«
»Wer - ich?«
Er betätigte sein Feuerzeug und blies Rauch aus der offenen Wagentür.
»Um mich mache ich mir keine Sorgen, Doc.«
Ich stieg aus dem Wagen und stand wartend in der Einfahrt. Seine Gestalt wirkte massig und müde in der Dunkelheit, und auf einmal überwältigten mich Trauer und Zuneigung. Marino war allein und fühlte sich wahrscheinlich hundsmiserabel. Er konnte keine sonderlich erfreulichen Erinnerungen haben, so wie sein bisheriges Leben zwischen dem Job mit der täglichen Gewalt und seinem missglückten Privatleben verlaufen war. Ich vermutete, dass ich die einzige Konstante in seinem Leben war, und wenn ich gewöhnlich auch freundlich zu ihm war, so war ich doch nicht immer herzlich. Es war einfach nicht möglich.
»Kommen Sie schon«, sagte ich. »Ich mache Ihnen einen Toddy, und dann können Sie sich hier aufs Ohr hauen. Sie haben ja Recht. Vielleicht will ich ja doch nicht allein sein, wenn noch fünf Pizzalieferdienste und Taxis aufkreuzen.«
»Das meine ich doch auch«, sagte er mit vorgetäuschter kühler Professionalität.
Ich schloss meine Haustür auf und stellte die Alarmanlage ab, und wenig später saß Marino im große n Zimmer mit einem Booker's Bourbon auf Eis in meiner Couchlandschaft. Ich bereitete ihm sein Nest aus frisch duftenden Laken und einer flaumweichen Baumwolldecke, und eine Weile saßen wir im Dunkeln und redeten.
»Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass wir am Ende verlieren könnten?«, murmelte er schläfrig.
»Verlieren?«, fragte ich.
»Na Sie wissen doch - am Ende siegt immer das
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