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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Gute. Wie realistisch ist das? Für andere Menschen nicht sonderlich - denken Sie an die junge Dame, die in Sparkes' Haus verbrannt ist. Die Guten gewinnen nicht immer. Hm, hm, Doc. Einen Scheiß tun sie.«
    Er setzte sich halb auf wie ein Kranker, trank einen Schluck Bourbon und rang nach Atem.
    »Carrie denkt nämlich auch, dass sie gewinnen wird, falls Ihnen dieser Gedanke noch nie gekommen sein sollte«, setzte er hinzu.
    »Fünf Jahre Kirby sind eine arschlange Zeit, um seine Überzeugungen zu pflegen.«
    Jedes Mal wenn Marino müde oder halb betrunken war, machte er gehäuften Gebrauch von Wortverbindungen mit scheiß- und arsch-. Wenn man ehrlich sein wollte, waren das tolle Wörter, die ausdrückten, was man fühlte, indem man sie einfach aussprach. Ich hatte ihm allerdings schon oft gesagt, dass es zweifellos Menschen gab, die Anstoß an seiner Vulgarität nahmen. Ich hingegen wusste, dass er mit solchen Ausdrücken nur seine Gefühle auf den Punkt bringen wollte.
    »Ich kann mich auf die Vorstellung, dass Menschen wie sie am Ende gewinnen werden, nicht einlassen«, sagte ich leise und nippte an meinem roten Burgunder. »So werde ich niemals denken.«
    »Traumtänzerei.«
    »Nein, Marino. Zuversicht.«
    »Yo.« Er trank wieder. »Ich scheiß auf Zuversicht. Wissen Sie eigentlich, wie oft ich miterlebt habe, wie irgendein Kerl einen Herzanfall gekriegt hat und einfach tot umgefallen ist oder im Dienst getötet wurde? Wie viele von denen, glauben Sie, besaßen diese Zuversicht? Wahrscheinlich alle. Niemand glaubt, dass er sterben wird, Doc. Sie und ich glauben das auch nicht, da können wir wissen, so viel wir wollen. Meinen Sie etwa, ich wüsste nicht, dass ich jeden Tag ein Stückchen vom vergifteten Kuchen esse? Kann ich daran etwas ändern? Nö. Ich bin nur ein alter Sack, der jeden Tag seine Pappbrötchen mit Steaks und seinen Whiskey und sein Bier braucht. Ich hab's längst aufgegeben, auch nur einen Furz auf das zu geben, was die Ärzte sagen. So werde ich wohl demnächst im Sattel vornüberkippen und aus der ganzen Sache raus sein.«
    Seine Sprache wurde undeutlich, und er begann, trübselig zu werden.
    »Dann wird eine Hand voll Bullen zu meiner Beerdigung kommen, und Sie werden dem nächsten Leiter der Mordkommission, der des Weges kommt, erzählen, so schlimm sei das gar nicht gewesen, mit mir zusammenzuarbeiten«, fuhr er fort.
    »Schlafen Sie jetzt, Marino«, sagte ich. »Und Sie wissen genau, dass das nicht meine Empfindungen sind. Ich darf nicht einmal daran denken, dass Ihnen etwas passieren könnte, Sie blöder Kerl.«
    »Meinen Sie das im Ernst?« Seine Stimmung hellte sich ein wenig auf.
    »Das wissen Sie doch verdammt gut«, sagte ich, und nun spürte ich meine Erschöpfung auch.
    Er trank seinen Bourbon aus und ließ leise das Eis im Glas klirren, doch ich ging darauf nicht ein, weil er genug getrunken - hatte.
    »Wissen Sie was, Doc?«, sagte er mit schwerer Zunge. »Ich mag Sie wirklich sehr, auch wenn Sie eine scheiß Nervensäge sind.«
    »Danke«, sagte ich. »Bis morgen früh dann.«
    »Es ist schon morgen früh.«
    Er klirrte noch einmal mit dem Eis.
    »Schlafen Sie jetzt.«
    Ich machte meine Nachttischlampe erst um zwei Uhr morgens aus. Gott sei Dank hatte Fielding diesmal Samstagsdienst im Leichenschauhaus. Es war fast neun, als ich mich dazu aufraffen konnte, die Füße aus dem Bett zu heben. Draußen in meinem Garten krächzten Vögel, und die Sonne ließ ihr Licht auf die Erde prallen wie ein übermütiges Kind seinen Ball. Meine Küche war so hell, dass sie fast weiß war, und die Geräte aus Edelstahl blitzten wie Spiegel. Ich machte Kaffee und war nach Kräften bemüht, meine Gedanken zu ordnen, als mir die Daten einfielen, die auf meinen Server geladen worden waren. Eben noch wollte ich die Schiebetüren und Fenster öffnen, um den Junimorgen hereinzulassen, da stand mir schon wieder Carries Gesicht vor Augen.
    Ich ging ins große Zimmer, um nach Marino zu sehen. Er schlief, wie er lebte, im ständigen Kampf gegen seine physische Existenz, als sei sie der Feind. Die Decke lag praktisch in der Zimmermitte auf dem Boden, die Kissen waren zusammengeknautscht und die Betttücher um seine Beine gewickelt.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    »Noch nicht«, murmelte er.
    Er drehte sich um und hieb das Kissen in die Form, die ihm zusagte. Er trug blaue Boxershorts und ein Unterhemd, das ungefähr zwei Handbreit zu kurz war, um seinen aufgeblähten Bauch zu bedecken, und einmal mehr

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