Brandnacht (German Edition)
Hochofen!«
Er stößt Heiner an uns vorbei und zwischen den Stuhlreihen hindurch zur Bühne. Dort schiebt er Hank beiseite und schnappt sich das Mikrofon.
»Brandnacht!«, schreit er hinein, während er gleichzeitig Heiner am Schlafittchen packt und hochzerrt, weil der vor Angst beinahe zu Boden geht. Hätte Freddy ihn nicht schwarz angemalt, wäre er bestimmt weiß wie die Wand.
Das an schräge Performances gewöhnte Publikum lacht.
»Brandnacht!«, ruft Freddy noch mal und fuchtelt wild mit der Fackel herum. Funken stieben.
»He, Freddy!«, ruft jemand aus dem Publikum. Die Leute scheinen sich zu amüsieren. Hier und da wird gekichert.
»Heiner K., die lebende Fackel!«, brüllt der Irre jetzt viel lauter. Dann schreit er »Burn, baby, burn!« und jault laut auf.
Als er Heiner einen Faustschlag ins Gesicht verpasst, wird das Publikum unsicher. Heiner geht zu Boden. Der Irre steckt seine Fackel in den Mikrofonhalter und kniet sich neben sein Opfer. Nun beginnt er, die Benzinkanister aufzuschrauben. Als Heiner wegkriechen will, schnappt er ihn bei den Handschellen und zieht ihn zurück. Schlägt ihn, tritt ihn, steht auf und schüttet das Benzin auf ihn drauf.
Das Publikum findet das nicht mehr witzig und wird unruhig. Vereinzelte Protestrufe gegen diese Art von Geschmacklosigkeit werden laut.
Der Irre dreht sich zur Band um, nimmt die Fackel aus dem Mikrohalter und kommandiert: »Eins, zwei, drei, vier – los!« Und dann brüllt er: »I am the god of hellfire and I bring you: FIRE!« Und die Dean Martins beginnen völlig verängstigt, ihn zu begleiten. Es klingt schaurig, und der Irre hüpft immer um Heiner herum und über ihn drüber, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er tatsächlich zur Fackel wird.
Ich merke, wie Phil neben mir zittert.
»Was machen wir denn jetzt?«, flüstert er.
Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn weg.
»Fire!«, brüllt der Irre. Das Schlagzeug rumpelt, der Bass dröhnt, die Gitarre kreischt. Kakophoner Irrsinn. Die Ersten im Publikum stehen auf. Der Irre kniet jetzt neben Heiner und brabbelt Unverständliches ins Mikro.
Wir sind im Treppenhaus. Phil scheint kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ich deute auf den Feueralarmknopf. »Ich zähle bis fünf, dann schlägst du das Ding ein, okay?« Phil nickt.
»Eins.« Ich greife nach dem Feuerlöscher, der in der Ecke steht.
»Zwei.« Ich ziehe den Sicherungsbolzen heraus.
»Drei.« Ich hebe das Ding hoch.
»Vier.« Ich nehme den Schlauch in die Hand.
»Fünf.« Ich renne los.
Die schrille Klingel des Feueralarms scheppert los.
Bei »Sechs« drücke ich den Knopf ein, und der Schaum spritzt aus dem Schlauch.
Bei »Sieben« bin ich auf der Bühne.
Bei »Acht« spritzt der Schaum über Heiner hinweg direkt ins Gesicht des Irren.
Bei »Neun« habe ich die Fackel gelöscht.
Bei »Zehn« ramme ich dem Irren den Feuerlöscher in den Wanst.
Bei »Elf« kracht das Ding in seine Fresse.
Bei »Zwölf« hocke ich auf ihm drauf.
Bei »Dreizehn« ziehe ich ihm die Maske vom Schädel.
Die Musik war verstummt, der Feueralarm schepperte weiter. Heiner rappelte sich auf. Ich hatte Phil, der mir gefolgt war, die Schlüssel zugeworfen, die ich in der Hosentasche des Irren gefunden hatte, und er hatte Heiner von den Handschellen befreit, die nun die Handgelenke des Pyromanen umschlossen.
Heiner hob das Mikro auf.
»Okay, Leute, jetzt wisst ihr, wie ich mich gefühlt habe, als dieser Scheißkerl versucht hat, meinen Laden abzufackeln. Ich sag euch nur eins, traut niemals einem Stadtteil-Cop, denn es könnte Freddy Krueger sein, auch wenn er in Wirklichkeit Kalisch heißt. Und denkt bloß nicht, dass ich Mitleid mit ihm hätte, weil er ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit hatte oder so oder weil er versehentlich seinen Partner abgefackelt hat, als sie gemeinsam versucht haben, ein Kleinkind aus einem brennenden Haus zu retten, oder weil er einen Unfall verursachte und der Einsatzwagen in Flammen aufging. Ist mir alles scheißegal. Dieser Schizo-Typ hier war mal bei der Mordkommission und wurde degradiert, heute hat er sich endgültig aus der Gesellschaft der Zurechnungsfähigen verabschiedet, er hat versucht, mich umzubringen, er hat es tatsächlich geschafft, eine zweite Bücherverbrennung in Eimsbüttel zu veranstalten, aber denkt nicht, dass ich ihm den Schizo-Bonus gebe oder sonst wie glaube, dieser Scheiß-Underdog sei es wert, dass wir seine kaputte Biografie bemitleiden, und auch wenn das nicht gerade christlich
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