Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Wahlkampfvorbereitungen
Als ich in den Chevy stieg, schaute mich Peppy erwartungsvoll an. Ich hatte ganz vergessen, daß sie dabei war. Es war nicht anständig, sie im Auto sitzen zu lassen, während ich versuchte, Roz aufzuspüren, aber ich befürchtete, wenn ich Peppy nach Hause brachte, konnte ich mich nicht mehr aufraffen, heute noch etwas zu unternehmen.
»Tut mir leid, Mädchen«, sagte ich, als ich den Motor anließ. »Terry und John wissen beide, wem das Armband gehört, meinst du nicht auch? Warum wollen sie es mir also nicht sagen?«
Peppy schaute mich besorgt an – sie wußte es auch nicht. Eine kleine Prozession von Autos fuhr Richtung Norden die State Street entlang. Ich wartete, bis sie vorbei waren, damit ich wenden konnte. Der letzte Wagen war Michaels silberne Corvette. Ich hupte und winkte, aber er sah mich im dämmernden Licht nicht. Oder er wollte mich nicht sehen. Ich hätte versuchen können, ihn einzuholen, um nach Elena zu fragen, aber ich hatte keine Lust, McGonnigal heute noch einmal über den Weg zu laufen.
Ich fuhr nach Norden in die Congress Street. Schlaglöcher und heruntergekommene Gebäude machten allmählich den Tagungshotels Platz, die den Südrand des Loop säumen. Als ich nach Westen in die Congress Street einbog und Gas gab, stieß der Chevy ein undefinierbares Jaulen aus. Mein Magen krampfte sich zusammen.
»Nicht bei fünfzig«, belehrte ich das Auto. »Du mußt mich noch ein paar Jahre lang durch die Stadt befördern. Ein paar Tage noch, auf alle Fälle.«
Das Auto hörte nicht auf mich, sondern steigerte den nervenzerfetzenden Lärm noch, als ich auf sechzig beschleunigte. Als ich auf vierzig herunterging, beruhigte sich der Motor etwas, aber über den Ryan konnte ich so nicht fahren. Ich bog an der Halsted Street von der Congress Street ab und nahm Umwege nach Norden und Westen zum Logan Square.
Roz Fuentes’ Wahlkampfbüro war in ihren alten Sozialarbeiterbüros in der California Avenue. Im Vorderfenster prangten die Flaggen von Mexiko, den Vereinigten Staaten und von Puerto Rico, Mexiko links und die Vereinigten Staaten in der Mitte. Unter der Flagge Mexikos hing ein großes Porträt von Roz, die ihr strahlendes Zweihundert-Watt-Lächeln zeigte, dazu die Parole auf spanisch und englisch: »Roz Fuentes für Chicago.« Nicht originell, aber brauchbar.
Das Büro war noch hell erleuchtet. Es waren nur noch fünf Wochen bis zur Wahl, und im ganzen County arbeiteten Leute in verschiedenen Wahlkampfbüros bis zum Morgengrauen. Daneben war Roz immer noch als städtische Beauftragte gegen Wohnungsnot und Verbrechen tätig. Den Zeitungen zufolge war das dem zuständigen Stadtrat – einem Herrn aus der alten Macho-Schule – ein Dorn im Auge, aber Roz war in der Gegend zu beliebt, als daß er versucht hätte, sie frontal anzugehen.
Hinter dem Panzerglasfenster sah man Leute mit der lärmenden Kameraderie arbeiten, die ein erfolgreicher Wahlkampf mit sich bringt. Etwa ein Dutzend Männer und Frauen saßen im großen Vorraum an Schreibtischen, unterhielten sich, gingen an die wild klingenden Telefone und riefen sich gegenseitig auf spanisch oder englisch Fragen zu. Niemand beachtete mich, deshalb ging ich an den Wahlkämpfern vorbei nach hinten, wo Roz früher ein kleines Privatbüro gehabt hatte.
Dort saß jetzt auch ein kleines Grüppchen, ein hübsches Ensemble, das zu Rosalyns multikultureller Sendung paßte: ein Weißer von etwa Vierzig und zwei Hispanierinnen – eine mollig und in den Fünfzigern, die zweite noch nicht lange mit der High School fertig – waren ins Gespräch vertieft mit einer drahtigen Schwarzen mit Hornbrille. Ich erkannte den Weißen nicht, aber ich kannte die Frau mit der Hornbrille – Velma Riter.
Alle vier verstummten, als ich hereinkam. Velma, die hinter dem ramponierten Schreibtisch in Rosalyns Drehstuhl saß, schaute wütend zu mir auf. Ihren Ausdruck feindselig zu nennen, wäre etwa so zutreffend gewesen, wie wenn man die Niagara-Fälle naß genannt hätte – die Intensität ihres Blicks war so nicht annähernd richtig zu bezeichnen.
Nach einem verwirrten Blick von Velma zu mir fragte die Frau in den Fünfzigern: »Können wir Ihnen helfen, Miss?« Sie war nicht unfreundlich, nur kurz angebunden – sie waren bei der Arbeit und wollten weitermachen.
»Ich bin V.I. Warshawski«, sagte ich. »Ich habe gehofft, daß Roz hier ist.«
Die mollige Frau streckte der High-School-Absolventin wortlos die Hand hin; die junge Frau reichte ihr
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