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Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Titel: Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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abspielte, zu verdrängen, zwang mich, die Schmerzwellen in den Hinterkopf zu verbannen. Rauch drang durch den Flur und auf mich zu und benebelte mich noch mehr. Ich wollte mich hinsetzen, hatte aber zuviel Angst vor den Nagetieren, die auf dem Boden um Atem rangen, als daß ich es über mich gebracht hätte.
    Ich war fast an der Kellertreppe. Wenn der Rauch dichter wurde, hieß das, daß der Brandherd oben an der Treppe war, und dann würde ich es durch das Labyrinth nicht zu einem Ausgang schaffen.
    Die Tränen strömten mir aus den Augen. Meine Kehle war rauh, und ich spürte eine quälende Enge in der Brust, wenn ich einatmete. Vielleicht hätte ich es allein geschafft, wenn ich mit dem Sweatshirt um den Kopf nach oben gerannt wäre, aber wenn ich das mit Elena versuchte, würden wir beide sterben.
    Beweg dich, Vic. Steh nicht hier herum, geh zurück, leg dich wieder ins Geschirr, brave Kuh, dreh dich um und zieh. Unten an der Treppe stand eine Tür offen. Ich hatte gerade noch soviel Verstand, sie zuzumachen, ehe ich meine Last wieder aufnahm und weiter den Flur entlangging.
    Meine Arme zitterten von der Überanstrengung. Ich konnte mich nicht an Gedichte erinnern, deshalb rezitierte ich Seilhüpfverse, um meinen Bewegungen einen Rhythmus zu geben und mich von meinem erschöpften Körper abzulenken.
    »Tanz, Mädchen, tanz, hüpf auf deinen Füßen.« Aber wohin hüpfen? Ich konnte mich an keine weiteren Türen in diesem Teil des Kellers erinnern, in dem wir in der Falle saßen. Dann, an der Kreuzung der beiden Flure, fiel mir der Speiseaufzug ein, den ich zufällig entdeckt hatte.
    Ich tastete mit der Hand in den Schacht und erforschte ihn. Er war geräumig, mußte ursprünglich eher als Lastenaufzug genutzt worden sein, mit dem Mobiliar aus dem Keller nach oben gebracht worden war. Als das Hotel gebaut wurde, stand es in Chicagos exklusivster Gegend. Jede Menge Wäsche und Einrichtungsgegenstände wurden gebraucht, und vor der Elektrifizierung war das ein ideales Transportmittel gewesen.
    Falls das Feuer innerhalb des Gebäudes gelegt worden war, war der Schacht auch ein idealer Weg für die Flammen. Aber wenn es außen angefangen hatte und sich nach innen vorarbeitete, hatten wir vielleicht eine Gnadenfrist. Es war natürlich möglich, daß die Ratten längst die Seile durchgenagt hatten. Alles ist möglich, Warshawski, hatte mein alter Lateinlehrer immer gesagt. Ich will wissen, was
wirklich
ist.
    Ich zog Elena von der Matratze und hievte sie mühsam über die schmerzende Schulter. »Auf geht’s, Tantchen. Entspann dich und atme normal.«
    Ich ließ sie in den Kasten gleiten. Er war so hoch, daß sie aufrecht darin hätte sitzen können, aber ich legte sie auf die Seite. Ich schaute dorthin, wo die Matratze lag. Mit leichtem Gepäck reisen oder mein einziges Werkzeug bei mir behalten? Ich hob sie auf und faltete sie zu einem sperrigen Bündel neben meiner Tante zusammen, vergewisserte mich, daß Elena noch genug Luft zum Atmen hatte. Schließlich stellte ich einen Fuß in den Kasten und schwang mich nach oben.
    Die Oberfläche war überzogen mit fettigem Staub und mit Krümeln, die vermutlich Rattenkot waren. »Aber hier gibt es keine Ratten, Tantchen, weil die alle so schlau waren, sich unter dem Gebäude einzugraben. Wir lassen das alles unter uns.«
    Ich tastete im Dunkeln nach den Seilen, fand eins und zog daran. Es knarrte unheilverkündend, aber der Kasten bewegte sich nicht. Die Spannung war jedoch noch da – irgendwohin führte das Seil. Ich zog wieder daran und spürte, daß der Kasten leicht schwankte. Vielleicht hatte ich das falsche Seil erwischt. Ich hielt es mit der linken Hand fest und tastete in der Dunkelheit mit der rechten in der Luft herum. Schließlich fand ich ein zweites Seil auf der anderen Seite des Schachts.
    Ich verlagerte mein Gewicht auf beide Seiten des Kastens und zog mit beiden Händen. Unter mir ruckte der Aufzug hoch und setzte sich in Bewegung. Es war eine langsame, mühselige Arbeit. Das Seil brannte sich in meine bloßen Handflächen ein. Mein Bizeps war inzwischen ohnehin schon windelweich geworden und wehrte sich entschieden gegen den Gedanken, noch mehr arbeiten zu müssen. »Du stehst mit dem Rücken zur Wand – geh raus und heiz denen ein, Vic«, verspottete ich mich, dann ging ich wieder zu Seilhüpfliedern über.
    Ich hatte mein Repertoire zweimal absolviert, als wir schließlich die Öffnung im Erdgeschoß erreichten. Die Tür war zu. Als ich sie berührte, war

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