Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
oben. Wir waren im zweiten Stock, und wir mußten schnell hinunter. Die Feuertreppe war auf der Rückseite. Die Feuerwehrautos, die ich in der Ferne hörte, mußten auf der anderen Seite sein.
Ich schlich über die kilometerlangen Flure zurück, bis ich zu Elena kam, die immer noch unter dem Aufzug schnarchte. Ich zog die Matratze aus dem Kasten und legte Elena wieder darauf. Irgendwann würde mein Körper bestimmt aufgeben, würde den sinnlosen Befehlen eines herrischen Verstands nicht mehr gehorchen. Ich peitschte mich vorwärts, ein gutes Schlachtroß, alt und dem Zusammenbruch nahe, das auf den letzten Ruf zu den Waffen noch immer reagierte.
Als ich wieder an der Feuertreppe war, wickelte ich mein Sweatshirt um den rechten Arm und schlug den Rest der Scheibe heraus. Dann schob ich Elena auf den Boden, zog ihre Matratze an die Feuertreppe, hob Elena hoch, während meine Achillessehnen und mein Rücken empört aufschrien, und legte sie wieder auf die Matratze.
»Du mußt hier auf mich warten, Tantchen. Ich komme wieder, atme tief und hab keine Angst. Ich muß Hilfe holen, ich kann dich nicht allein tragen.«
Langsam, mit tonnenschweren Beinen, schleppte ich mich die Treppe hinunter, durch die Rauchwolke, über den Punkt hinaus, an dem ich noch etwas spürte, an den Ort, wo Atem und Sicht nur noch ein fester Punkt aus Schmerz waren, fand das Ende der Treppe, schwang mich hinunter, spürte, wie die letzte Stufe nachgab und ich meine Füße über den Boden schleppte.
Ich lief durch den Rauch und wankte um das Gebäude herum. Dort war ein Menschenauflauf. Feuerwehrmänner, Gaffer, Polizisten und ein Uniformierter, der auf mich zukam und mir streng erklärte, das Gebäude sei gefährlich, niemand dürfe hinter die Polizeiabsperrung.
»Meine Tante«, ächzte ich. »Sie ist oben an der Feuertreppe auf der Rückseite. Wir waren im Keller, als der Brand ausbrach. Sie müssen sie holen.«
Er verstand mich nicht, und ich wandte mich an einen Feuerwehrmann, der dabei half, einen schweren Schlauch zu dirigieren. Ich zog an seinem Ärmel, bis er sich gereizt umdrehte. Ich gestikulierte und stöhnte, bis jemand mich verstand und ein kleiner Trupp in den Rauch hineinrannte.
26 Ärztliche Anordnung
»Was soll denn das, warum hast du dich angezogen?« Lotty Herschel sprach so scharf, daß es fast unfreundlich war.
»Ich will nach Hause.« Es war eine Strapaze gewesen, mich mit zwei in Gaze gewickelten Händen anzuziehen. »Du weißt, daß ich Krankenhäuser hasse – dorthin werden Menschen zum Sterben geschickt.«
»Jemand hätte diese Kleider verbrennen sollen«, sagte Lotty eisig. »Die stinken so übel, daß ich es kaum aushalte, bei dir im Zimmer zu sein.«
»Das liegt am Blut und am Rauch«, erklärte ich. »Und vermutlich abgestandener Schweiß– ich bin ganz schön ins Schwitzen gekommen, als ich mich an den Seilen hochgehievt habe.«
Lottys Nasenlöcher kräuselten sich angewidert. »Ein Grund mehr, sie auszuziehen. Doktor Homerin kann dich unmöglich untersuchen, wenn du so stinkst.«
Mir war ein schlanker Mann in mittleren Jahren aufgefallen, der geduldig hinter Lotty stand, und ich nahm an, das sei ein weiterer Krankenhausarzt, der zu meinen Füßen Erleuchtung suchte. Aus meinem Kopf Erleuchtung suchte, wie sich herausstellen sollte.
»Ich brauch keine gottverfluchte Untersuchung mehr. Jetzt bin ich vierundzwanzig Stunden hier und fühle mich wie ein Schmorgulasch, in dem jede Hausfrau von Chicago herumgerührt hat.«
»Mez Homerin ist Neurologe. Du hast einen üblen Schlag auf den Kopf bekommen. Ich will mich vergewissern, daß dein polnischer Dickschädel keinen irreparablen Schaden abgekriegt hat.«
»Mir geht’s bestens«, sagte ich wütend. »Ich sehe nicht doppelt, ich kann mir mit geschlossenen Augen die Schuhe zubinden, sogar mit diesen Baseballhandschuhen an den Händen, und wenn er mir Nadeln in den Fuß sticht, kriege ich das bestimmt mit.«
Lotty kam her und stellte sich neben mich. Die schwarzen Augen blitzten. »Victoria, ich weiß wirklich nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache. Das ist das dritte Mal, daß du einen Schlag abbekommen hast, der dich bewußtlos gemacht hat. Ich habe keine Lust, mein Alter damit zu verbringen, dich wegen Parkinsonscher oder Alzheimerscher Krankheit zu behandeln – denn genau das wirst du dir mit deiner unbelehrbar unvernünftigen Einstellung einhandeln. Wenn du nicht sofort – auf der Stelle – diese Kleider ausziehst, dann muß dir eines klar
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