Brandung des Herzens
beobachtete, wie Willows Augen groß wurden, als sie ihn maßen.
»Wir haben zusammengepaßt wie eine Hand, die in einem Samthandschuh steckt, und du hast jede einzelne Sekunde genossen.«
Sie schluckte hart, wurde tiefrot vor Verlegenheit und murmelte mit schwacher Stimme: »Entschuldige, ich wollte dich nicht anstarren.«
»Du starrst immer noch.«
»Oh.« Schuldbewußt schloß sie die Augen.
Caleb trat einen Schritt vor, beugte sich herab und küßte Willow leicht auf die Wange. »Schau nur, soviel du möchtest. Ich will dich doch nur necken. Es ist so süß, dich zu necken. Als kostete man Honig.«
Er hob sein Rasiermesser und seine eigene Decke auf und reichte Willow seine freie Hand. »Komm. Ich habe versprochen, dir die Haare trocken zu bürsten.«
Willows Augen öffneten sich. »Und du hältst immer, was du versprochen hast, nicht?«
»Immer. Sogar dann, wenn es Versprechen sind, die ich lieber nicht erfüllen möchte.« Calebs Lippen preßten sich zu einer schmalen Linie zusammen. »Besonders solche.«
Auge um Auge.
»Du brauchst mir nicht die Haare zu bürsten, wenn du es nicht möchtest«, sagte sie zögernd. »Ich weiß, es ist mühsam, all die Knoten herauszubekommen.«
Caleb lächelte und verflocht seine Finger noch fester mit ihren. »Ich liebe es, dein Haar zu bürsten. Es ist, als glitte man über Sonnenlicht.« Er sah Willow frösteln und drückte ihre Hand. »Komm mit. Auf der Wiese ist es wärmer.«
Ishmael hob abrupt den Kopf, als sie aus dem Schutz des Wäldchens auf die Wiese hinaustraten. Der Hengst beobachtete Willow und Caleb einige Augenblicke lang, bevor er zu grasen fortfuhr.
»Er ist sehr wachsam für ein Pferd, das niemals in freier Wildbahn gelebt hat«, meinte Caleb.
»Seine Wachsamkeit hat mir mehr als einmal während des Krieges das Leben gerettet. Er witterte die Soldaten, sobald sie sich unserer Farm näherten, und veranstaltete einen Höllenspektakel. Mama und ich sind dann sofort in den Wald geflohen, wenn sie einigermaßen wohlauf war, oder in den Keller, wenn es ihr nicht gutging.«
Calebs Hand schloß sich fester um Willows Finger. Er hob ihre Hand an seinen Mund und ließ zärtlich seinen Schnurrbart über ihre Handfläche gleiten.
»Ich hasse die Vorstellung, du könntest in Gefahr geraten, könntest verletzt sein, verängstigt, hungrig.« Er zögerte, verblüfft darüber, wie stark sein Drang war, Willow zu beschützen. »Der Gedanke beunruhigt mich.«
»Vielen Frauen ist es im Krieg weitaus schlimmer ergangen als mir. Ich hatte Glück. Der einzige Soldat, der mich jemals aufspürte, schaute schnell in eine andere Richtung.«
»Vielleicht hatte er eine Schwester.«
Etwas in Calebs Stimme erinnerte sie daran, daß er ebenfalls eine Schwester hatte. »Ja, vielleicht. So wie du.«
»Rebecca ist tot.«
Willow zuckte zusammen, als sie die kaum unterdrückte Härte spürte, die in Calebs Worten mitschwang. »Es tut mir leid.«
»Sie wurde von einem Mann verführt und dann im Stich gelassen. Ich habe ihren Liebhaber zu finden versucht, um ihn zurückzubringen und ihn zu zwingen, sie zu heiraten. Sie starb an Kindbettfieber. Ihr Baby starb wenige Stunden danach. Ich habe es erst einen Monat später erfahren.«
»Großer Gott«, sagte Willow erschrocken. »Es tut mir so leid, Caleb.«
Er blickte in ihre klaren, mitfühlenden Augen und fragte sich, was sie wohl sagen würde, wenn sie erführe, daß das Baby ihre Nichte gewesen war.
»Ich habe mir geschworen, ihn zu töten«, fuhr er fort.
Willow sah den finsteren, freudlosen Ausdruck in Calebs Augen und bezweifelte nicht eine Sekunde, daß er sein Vorhaben ausführen würde. Dann erinnerte sie sich an ihren ersten Eindruck von Caleb. Gefährlich. Und an ihren zweiten. Ein unversöhnlicher, düsterer Engel der Gerechtigkeit.
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben.
Ein kalter Schauer lief über Willows Haut. Caleb strömte eine Intensität und Kraft aus, die fast furchteinflößend war.
»Du frierst«, sagte er stirnrunzelnd. Er legte fürsorglich seine Decke um Willows Schultern und führte sie über die Wiese, dann breitete er die Baumwolldecke, die sie trug, auf dem Boden aus. »Leg dich auf die Decke. Hier im hohen Gras wird dir wärmer werden, weil es dich vor dem Wind schützt. Ich werde deine Bürste und deinen Kamm holen.«
Caleb eilte davon, bevor Willow ihm sagen konnte, daß ihr nicht kalt war, nicht auf die Art und Weise, die er gemeint hatte. Nach einem Moment des Zögerns streckte sie
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