Brandung des Herzens
Geschwindigkeit«, sagte Caleb nach einer Weile. »Der Wind kommt aus Westen. Wenn wir das Feuer klein halten, wird niemand auf dem Wagen den Rauch riechen. Und wenn der Mond aufgeht und ein kalter Wind von den Gipfeln herunterbläst, werden wir froh über eine Kanne Kaffee und einen Hutvoll kalter Brötchen sein.«
In Willows Gesicht blitzte ein Lächeln auf. »Können wir jetzt auch Kaffee haben?«
Calebs Mundwinkel verzogen sich fast gegen seinen Willen zu einem Lächeln, als er gestand: »Ich habe mich auch schon darauf gefreut.«
Als Willow mit der Pflege der Pferde fertig war, nahm sie ihr Mieder und die Batistunterhosen und wusch sie in dem winzigen Fluß mit einem Stückchen Seife aus ihrem persönlichen Gepäck. Sorgsam schüttelte sie die Wäschestücke aus und drapierte sie über den Pappelstamm in der Nähe des Feuers, weil sie wußte, der dünne Stoff würde dort schnell trocknen.
Caleb häufte schweigend Speck und Brötchen auf Teller, die aus einer dicken Weidenholzscheibe gefertigt waren. Willow füllte den Kaffee in die Feldflasche, dann setzte sie sich und begann zu essen. Als sie nach einem Stück in der Pfanne gebackenen Brötchens griff, brachte Caleb einen kleinen Topf Honig zum Vorschein, eine der vielen luxuriösen Köstlichkeiten, die Wolfe mit in den Proviantsack geschmuggelt hatte.
»Mmmm!« rief Willow entzückt. »Jetzt geht’s ans Naschen!«
»Werden Sie nicht frech, kleine Lady«, erwiderte Caleb trocken.
Als sie seine Anspielung begriff, wurde sie rot und erwiderte: »Caleb Black, Sie wissen ganz genau, daß ich den Inhalt des Topfes gemeint habe und nicht Sie.«
»Ich bin gekränkt.«
»Und ich bin Salome mit den sieben Schleiern.«
Caleb warf einen vielsagenden Blick auf das fast durchsichtige Batistmieder und die feinen, knielangen Unterhosen aus Baumwolle, die zum Trocknen über dem Pyramidenpappelstamm ausgebreitet lagen. »Sieht von hier aus eher wie zwei Schleier aus.«
»Honig, bitte«, sagte Willow nur.
»Wie kann ich widerstehen, wenn Sie mich so reizend bitten?« erwiderte er und reichte ihr das Honigglas.
Willow gab einen Laut von sich, der fast ein Kichern war. Calebs fröhliches Grinsen ließ ihr plötzlich ganz leicht ums Herz werden. Einen flüchtigen Moment lang hatte Willow fast wieder das Gefühl, zu Hause zu sein, in dem Heim, das nur noch in ihren Erinnerungen und Träumen existierte-prasselndes Kaminfeuer, ihre Eltern, ihre Brüder, die sich gegenseitig mit rüden Scherzen aufzogen, und Matts liebevolle Neckereien gegenüber der jüngeren Schwester, die ihn förmlich anbetete.
Schweigend schraubte Willow das Glas auf und tröpfelte einen winzigen Strom von Honig auf das Brot. Die dicke Flüssigkeit schimmerte leuchtend gelb wie Bernstein in der Sonne, als sie langsam in den lockeren Teig einsickerte. Willow leckte ein paar heruntertropfende Fäden der Süßigkeit ab, bevor sie ihre Zähne in die unerwartete Köstlichkeit grub. Der volle Geschmack des Honigs breitete sich in ihrem Mund aus. Ein gedämpfter Laut des Wohlbehagens entrang sich Willows Kehle, ohne daß sie sich dessen bewußt war. Es war drei Jahre her, seit sie zum letzten Mal das reiche, sonnendurchtränkte Aroma von Honig gekostet hatte.
Caleb beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sie sich genüßlich die Lippen leckte und ihre schnelle kleine Zunge vorstreckte, um flüchtige Tropfen von Honig aufzufangen. Er sagte sich, daß sie es sicher nicht absichtlich tat. Sie setzte sich nicht für ihn in Szene. Sie genoß ganz einfach den Honig mit einer sinnlichen Intensität, die ihn ebensosehr erregte und seinen Schaft fest werden ließ, wie ihn Willows Anblick in der fast durchsichtigen Unterwäsche erregt hatte.
Hätte Willow ihn bewußt gereizt, hätte Caleb keine Schwierigkeiten gehabt, ihre Einladung zu ignorieren oder auch anzunehmen, je nachdem, wie er sich in dem Moment fühlte. Aber er spürte, sie hatte keineswegs die Absicht, ihn herauszufordern, wodurch sich Caleb eindeutig im Nachteil befand. Denn er begehrte sie heftig. Sie dagegen begehrte ihn nicht.
Oder wenn sie es tat, dann verbarg sie ihr Verlangen besser als jede andere Frau, der er jemals begegnet war.
Vielleicht ist sie tatsächlich Renos Ehefrau, dachte Caleb. Nicht jeder Mann kauft seiner Frau einen Ring.
Warum errötet sie dann jedesmal so schuldbewußt wie ein Kind, das beim Äpfelstehlen erwischt wurde, sobald das Wort Ehemann fällt? überlegte er weiter.
Es gab keine andere Antwort als die, die auf der
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