Brandung des Herzens
ihnen über den Weg laufen, noch bevor wir auf den Pfad zum Paß stoßen?«
»Dann können wir nur noch beten.«
Willow biß sich auf die Lippen. »Aber wenn wir vor ihnen auf dem Paßpfad sind, dann kann uns nichts passieren, oder?«
»Es sei denn, sie sind zuerst da.«
»Aber wie sollten sie wissen, welchen speziellen Weg wir einschlagen? Dann müßten sie doch den ganzen Weg bis hierher zurückkommen und unsere Spuren verfolgen, nicht?«
»Es ist der einzig brauchbare Paß im Umkreis von sechzig Meilen«, erwiderte Caleb. »Selbst ein betrunkener Comanchero kann sich mühelos ausrechnen, wo wir zu finden sein werden. Ungefähr zehn Meilen weiter diesen Bach hinauf gibt es eine Stelle, wo eine andere Route von Süden her einmündet und sich mit dem Paßpfad vereinigt. Wir müssen sie bis zu dieser Gabelung abgehängt haben.«
Willow schloß einen Augenblick die Augen. Zehn Meilen. Ihre Pferde konnten nicht noch zehn Meilen laufen. Die Araber hatten wesentlich härter zu kämpfen als Calebs Pferde, obwohl sie nicht soviel Gewicht trugen.
Caleb zerrte Deuce den Packsattel vom Rücken und legte den Reitsattel auf. »Das Problem ist, daß wir wahrscheinlich die Stuten verlieren werden, wenn wir weiter in diesem Tempo reiten. Ishmael ist stärker, du wirst also ihn reiten. Wenn die Stuten nicht mit uns Schritt halten, bleiben sie allein zurück.«
Er blickte Willow an, nagelte sie mit der Intensität seines goldenen Blicks förmlich auf der Stelle fest. »Sag es mir jetzt, Willow. Wenn es absolut keine andere Möglichkeit mehr gibt, was wäre dir lieber - tot zu sein oder Gefangene der Comancheros?«
Willow dachte an Neunfingers eiskalte blaue Augen und den gierigen Blick, mit dem er sie gemustert hatte. Galle stieg in ihrer Kehle auf.
»Tot«, sagte sie ohne Zögern.
Caleb schaute sie eine lange Weile schweigend an. Sie erwiderte seinen Blick ruhig und ohne mit der Wimper zu zucken.
»Dann soll es so sein«, sagte er gedämpft. »Du würdest ohnehin bald tot sein. Weiße Frauen überleben bei den Comancheros nicht länger als ein paar Monate, besonders nicht Blondinen. Zu viele Männer sind lüstern auf blondes Haar. Aber du solltest wenigstens die Wahl haben.«
Willow wandte sich wortlos ab. Es gab auch nichts, was sie darauf hätte sagen können.
Als sie aus dem Wald zurückkam, waren die Pferde gesattelt. Dove atmete immer noch schwer, aber der Schweiß auf ihrem Körper begann zu trocknen. Caleb stand neben Ishmael und wartete, um Willow beim Aufsitzen behilflich zu sein.
»Das ist nicht mehr nötig«, sagte sie. »Ich kann allein aufsteigen.«
»Ich weiß.«
Er verschränkte seine Hände, formte mit seinen Fingern einen Steigbügel für sie. Sie stellte einen Fuß hinein und ließ sich in den Sattel heben. Einen flüchtigen Moment lang fühlte sie Calebs Handfläche liebkosend an ihrer Wade herabstreichen, die Berührung war jedoch so kurz und er hatte sich so schnell wieder abgewandt, daß Willow überlegte, ob es nicht nur Einbildung gewesen war. Sein Gesicht hatte einen so grimmigen Ausdruck zur Schau getragen.
»Caleb?«
Er drehte sich zu ihr um.
»Ganz gleich, was passiert«, sagte Willow hastig, »du darfst dir nicht die Schuld daran geben. Du hast mich bereits in Denver davor gewarnt, daß meine Pferde nicht mithalten könnten. Du hattest recht.«
Ein einziger großer Schritt brachte Caleb wieder an Willows Seite zurück. »Komm her«, sagte er heiser.
Als sie sich herunterbeugte, umfingen seine langen Finger ihr Gesicht, hielten sie einen flüchtigen Atemzug lang, dann ergriff er mit einem schnellen, heftigen Kuß Besitz von ihren Lippen, einem Kuß, der zu Ende war, noch bevor Willow reagieren konnte.
»Deine Pferde haben sich bis jetzt hervorragend geschlagen.
Tatsächlich haben sie sich sogar als Riesenüberraschung entpuppt«, murmelte Caleb dicht an Willows Lippen. »Und du übrigens auch. Bleib direkt hinter mir, Honey. Es sind prächtige Stuten, aber du darfst ihretwegen nicht dein Leben aufs Spiel setzen.«
Bevor Willow etwas erwidern konnte, hatte sich Caleb von ihr gelöst und schwang sich in den Sattel. Er schlug einmal kurz mit den Zügeln, und der große Wallach sprang mit einem Satz vorwärts. Zu Calebs Überraschung hängten sich die Stuten auch ohne Ishmaels Ansporn wie Kletten an die Flanken des Hengstes und liefen frei wie Mustangs. Wenn sie zurückblieben, sprach Willow sanft auf sie ein und bekam ein aufmerksames Zucken der Ohren und ein schnelleres Tempo zur
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