Brandung des Herzens
quälender Stille wurde. Die Luft wurde dünner, bis Willow zu keuchen begann, obwohl sie nur auf Ishmael saß und nichts weiter tat, als sich mit Händen festzuklammern, die taub vor Kälte und Nässe waren.
Und immer noch stieg der Pfad weiter an. Schneeregen verwandelte sich in dicke weiße Schneeflocken, die wie winzige Flöckchen aus Eisspitze im Wind wirbelten. Der Donner war jetzt weniger häufig und aus immer weiterer Entfernung zu hören, schwoll schließlich zu einem gedämpften Murmeln in der Luft ab. Schnee fiel, bis er knöcheltief lag. Der Fluß nahm einen dunklen, öligen Glanz an.
Caleb prüfte seinen Kompaß, lenkte Trey nach links und ritt in einer langen, stetig ansteigenden Diagonale über den Berghang. Der alte, verlassene Pfad schimmerte in einer anderen Schattierung von Weiß als der Schnee auf dem Boden, den noch niemals der Fuß eines Menschen betreten hatte. Caleb betrachtete den gespenstischen Faden, der sich weiter und immer weiter bis in die tiefhängende Wolkendecke hinaufschlängelte, und fragte sich verzweifelt, ob auch nur eines der Pferde noch die Kraft hatte, ihn zu bewältigen.
Die Espen verschwanden zuerst, dann die Fichten, schließlich die Kiefern, bis der Wald nicht mehr als ein schwarzweißer Fransensaum war, der sich mehrere hundert Meter unter ihnen an geschützten Schluchten entlangzog. Für Caleb und Willow gab es nichts weiter als das Bleigrau des Himmels und das Weiß des Erdbodens. Schneeschleier hoben und kräuselten sich dann und wann, enthüllten und verhüllten die weite Landschaft. Tief unter ihnen war der Fluß als schwarzes Band zu sehen, das sich durch eine steile, schmale schneebedeckte Schlucht wand.
Windböen zerrissen die Schneeschleier, ließen eine graue Wolkendecke über zerklüfteten Bergen sehen, deren Spitzen immer noch Nebelkappen trugen. Zum ersten Mal konnte Caleb erkennen, wo die steile Kletterpartie endete... eine ganze Strecke weiter voraus. Sie mußten noch mindestens eine weitere Meile hinaufsteigen auf einem Geisterpfad, der sich quer über schartige Felsen wand und höher und höher klomm, bis schließlich der letzte eisverkrustete Grat erklettert war und geschmolzener Schnee nach Westen hinunterfloß, nicht nach Osten.
Caleb zügelte seinen Wallach und stieg ab. Ishmael und Deuce waren knapp fünfzig Meter hinter ihm. Die Stuten waren bei dem mühsamen Weg den Berg hinauf ein ganzes Stück zurückgefallen. Die letzten beiden Stuten waren in dem Schneegestöber verschwunden, durch das die anderen sich durchgekämpft hatten. Caleb wartete eine Weile, aber es tauchten keine weiteren Pferde auf. Dann heulte eine Windböe über das Land, zerriß die Schneeschleier und gab den Blick auf zwei Stuten frei, die sich eine Meile tiefer langsam den Berg hinaufarbeiteten.
Ishmael ging die letzten Meter zu Trey und blieb dann mit gesenktem Kopf stehen, während er heftig schnaubte und um jeden Atemzug in der dünnen Luft kämpfte. Caleb half Willow aus dem Sattel und stützte sie mit einem Arm, um mit der anderen Hand den Sattelgurt zu lockern. Als der Wind einen Moment nachließ, stieg Dampf in dichten Schwaden vom Fell der Pferde auf, und ihr keuchender Atem ging rasselnd in der Stille.
»Ich... ich werde zu Fuß weitergehen«, sagte Willow.
»Noch nicht.«
Caleb hob Willow auf Treys Rücken, band Ishmael an ein langes Seil und befestigte es an Treys Sattel. Schweigend ergriff er die Zügel und begann den großen Wallach den Pfad hinaufzuführen. Willow blickte über ihre Schulter zurück, sah Ishmael folgen und Deuce nicht weit dahinter mühsam hinterherlahmen und betete, daß die Stuten nicht aufgeben würden.
Die Route wurde steiler, der Schnee tiefer, bis Caleb bei jedem Schritt bis zu den Knien einsank. Den Pferden erging es nicht besser. Alle dreißig Meter hielt Caleb an und ließ die Tiere einen Moment verschnaufen. Selbst Trey hatte jetzt große Mühe. Er keuchte wie ein Pferd, das lange und hart geritten wurde. Willow konnte es nicht ertragen, ihn sich so quälen zu sehen. Sie wußte, ihr Gewicht machte es noch schlimmer. Trotz ihrer stechenden Kopfschmerzen und der Übelkeit, die in ihrem Magen aufstieg, machte sie Anstalten, abzusteigen.
»Bleib, wo du bist«, befahl Caleb knapp. »Trey ist... viel... stärker als du.«
Seine Worte wurden von schnellen, tiefen Atemzügen unterbrochen, die dennoch nicht den Hunger seines Körpers nach Sauerstoff befriedigen konnten. Caleb war zwar besser an das Hochland gewöhnt, aber nicht an
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