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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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verärgert war.
    Esau legte die Katze auf dem Sessel ab.
    Sie gingen zusammen zur Kirche. Reverend Hoyt wünschte sich,
es gäbe eine Möglichkeit, Esau zu verstehen zu geben,
daß er nicht die ganze Zeit über aufrecht gehen
mußte. An der Tür zu Reverend Hoyts Arbeitszimmer
signalisierte Esau: »Arbeit?« Reverend Hoyt nickte und
versuchte, die Tür zu öffnen. Unter die Tür geschobene
Briefe hatten sie verkeilt. Er kniete sich auf den Boden und zerrte
eine Handvoll Briefe hervor. Jetzt ließ sich die Tür
öffnen, und Reverend Hoyt hob eine weitere Handvoll Briefe auf
und legte sie auf den Schreibtisch. Esau spähte zur Tür
herein und winkte ihm zu. Reverend Hoyt winkte zurück, und Esau
watschelte in Richtung des Kirchenraumes. Reverend Hoyt schloß
die Tür.
    Hinter seinem Schreibtisch befand sich ein kleiner Haufen
scharfkantiger Glasscherben und ein großer Stein. In der
Glastür darüber prangte ein sternförmiges Loch. Er
nahm den um den Stein gewickelten Zettel ab und las die darauf
geschriebene Botschaft: »›Und ich sah ein wildes Tier aus
der Erde hervorkommen, und auf seinem Haupte standen die Namen der
Gotteslästerung geschrieben.‹« Reverend Hoyt klaubte
das zerbrochene Glas auf und rief die Bischöfin an.
    Er las sich durch die Post, wobei er ständig durch die
Glastür nach der Bischöfin Ausschau hielt. Sie kam stets
den rückwärtigen Weg über den Parkplatz herein. Sein
Büro befand sich am äußersten Ende des
Verwaltungsflügels und war nur schwer zu erreichen. Man hatte
beabsichtigt, ihm auf diese Art soviel private Abgeschiedenheit wie
nur eben möglich zu verschaffen. Ursprünglich hatte
jenseits der Glastür ein kleiner Hof mit einem Holzapfelbaum
existiert. Aber vor fünf Jahren hatten Hof und Holzapfelbaum
einem Parkplatz weichen müssen, und inzwischen besaß
Reverend Hoyt gar keine private Abgeschiedenheit mehr, dafür
jedoch einen ausgezeichneten Ausblick auf das Kommen und Gehen aller.
Es stellte die einzige Möglichkeit für ihn dar, zu
erfahren, was in der Kirche vor sich ging. Von seinem Büro
erfuhr er überhaupt nichts.
    Die Bischöfin traf auf ihrem Fahrrad ein. Der Fahrtwind hatte
ihr das kurze, krause, graue Haar aus dem Gesicht geweht. Sie war
sehr gebräunt. Sie trug einen hellgrünen Hosenanzug, hatte
aber einen schwarzen Talar über dem Arm. Er ließ sie durch
die Glastür ein.
    »Ich war nicht sicher, ob es sich um eine offizielle
Angelegenheit handelte oder nicht. Ich beschloß also, besser
etwas mitzubringen; für den Fall, daß Sie eine weitere
Bombe losließen.«
    »Ich weiß«, erwiderte er seufzend und nahm hinter
seinem kleinen Schreibtisch Platz. »Es war töricht von mir.
Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Moira.«
    »Sie hätten mich zumindest warnen können. Der erste
Anruf, den ich erhielt, kam von einem Reporter, der etwas vom nahen
Ende der Welt faselte; ich dachte schon, die Charies hätten
wieder übernommen. Dann rief ein Idiot an und wollte wissen, wie
sich die Kirche zur Seele der Schweine stelle. Ich habe zwanzig
Minuten gebraucht, um herauszufinden, was genau Sie angestellt
hatten. Bis dahin, Will, fürchte ich, habe ich Sie mit einer
Reihe äußerst liebloser Namen bezeichnet.« Sie
tätschelte ihm die Hand. »Ich nehme sie hiermit alle
zurück. Wie geht es Ihnen, mein Lieber?«
    »Ich hatte nicht die Absicht, etwas verlauten zu lassen,
bevor ich mich entschieden hatte, was ich tun wollte«, sagte er
gedankenvoll. »Ich hatte vor, Sie in dieser Woche in der Sache
um Rat zu fragen. Ich habe es Natalie gesagt, als sie Esau
hereinbrachte.«
    »Ich wußte es. Es handelt sich um Natalie Abreus
geistiges Kind, nicht wahr? Ich glaubte, die Hand einer Hilfspastorin
in dieser Geschichte zu erkennen. Ganz im Ernst, Will, sie sind sich
alle gleich. Gibt es denn gar keine Möglichkeit, sie weitere
zehn Jahre lang im Seminar zu halten, bis sie sich ein bißchen
abgekühlt haben? Gute Werke und Ideen und Reformen und nochmals
gute Werke. Es macht mich fertig.
    Meiner hat es mit den Chören: Jugendchöre,
Knabenchöre, Madrigale, Antiphonien und Kanons. Uns bleibt kaum
Zeit für Predigten, so viele Chöre werden gesungen. Meine
Kirche sieht nicht wie eine Kirche aus, Sie sieht wie eine
Militärparade aus. Bataillone farbiger Talare marschieren ein
und aus und intonieren Wechselgesänge.« Sie hielt inne.
»Es gibt Zeiten, da könnte ich ihn erwürgen. Eben
jetzt könnte ich Natalie erwürgen. Wie in aller Welt kommt
es, daß sie sich diese Idee in den

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