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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Außerdem hatten alle übrigen
ihre Möglichkeiten gegen Schuldner und Bibelübersetzungen
an Unbefugte verspielt. Ihr Presbyterianer wart – wenn ich mich
recht erinnere – dazu verdammt, an dem magischen Begriff der
›Prädestination‹ klebenzubleiben, der bei jeder
passenden und unpassenden Gelegenheit angewandt wurde.«
    Reverend Hoyt konnte sich des Gefühles nicht erwehren,
daß sie ihn mit dieser Anmerkung nur zum Lächeln bringen
wollte. Er lächelte. »Und was ist es, weswegen Ihr
Katholiken fast ausgetreten wärt? O ja; der
Traubensaft.«
    »Will, der Punkt ist, daß ich Ihnen in diesem Fall
keinen bischöflichen Rat geben kann. Es ist allein Ihr Problem.
Sie sind derjenige, der zu einer anständigen und
wohlüberlegten Entscheidung gelangen muß.«
    »Anständig und wohlüberlegt?« Er ergriff eine
Handvoll Briefe. »Mit solchen Ratschlägen?«
    »Sie haben das selbst heraufbeschworen; erinnern Sie sich
nicht? Haben Sie nicht von der Kanzel aus über die Demut
geeifert?«
    »Hören Sie sich den hier an: >Sie können keinen
Affen taufen. Affen haben keine Seelen. Ich habe einmal den Zoo von
San Diego besucht. Wir sind ins Affenhaus gegangen; und da waren doch
diese Orangotangen direkt vor uns, vor allen Besuchern und in aller
Öffentlichkeit dabei…<«, er sah von dem. Brief auf,
»hier scheint die Schreiberin eine gewisse Schwierigkeit gehabt
zu haben, zu entscheiden, welche Wörter ziemlich waren. Ihr
Füllfederhalter hat einen Tintenklecks verursacht.« Er fuhr
fort, zu lesen: »›… es zu treiben.‹ Das ist
unterstrichen. ›Das Schlimmste bei der Sache war, daß sie
dort lagen und es offensichtlich genossen. Daran können Sie
erkennen, daß die Tiere, selbst wenn sie manchmal gesittet
erscheinen mögen…‹ in diesem Stil geht es weiter. Und
das von einer Frau, die drei Ehemänner gehabt hat, und die viele
›kleine Verfehlungen‹ beging, wie sie es nennt. Sie meint,
ich könnte ihn nicht taufen, weil er Freude am Sex
hat.«
    Er sichtete weitere Briefe. »Die Diakone glauben, daß
es das zur Folge haben könnte, was sie einen negativen Effekt
nennen; nämlich eine Zunahme der Gesuche insgesamt. Die
Kirchendiener wollen keine Touristen mit Kameras hier haben. Drei
Männer und neun Frauen glauben, die Taufe würde auf eine
nicht näher bezeichnete Weise seine tierische Wollust
freisetzen, und niemand könnte sich mehr allein in die Kirche
wagen.«
    Er hielt triumphierend einen Brief hoch, der auf blaßrosa
Papier geschrieben war. »›Sie haben uns am Sonntag gefragt,
ob wir glaubten, daß Affen eine Seele hätten. Ich glaube,
daß sie eine haben. Ich ziehe es vor, hinten in der Kirche zu
sitzen, weil ich eine sehr schlimme Arthritis habe. Beim Bittgebet
saßen drei Kindchen vor mir, die kleinen Händchen zum
Gebet gefaltet, und genau in der Tür zur Sakristei stand Ihr
Affe, und er hatte auch den Kopf gesenkt und die Hände
gefaltet.‹« Er hielt das Blatt hoch. »Diese
Schreiberin ist meine einzige Verbündete. Und sie findet es
niedlich, wenn sie sieht, daß ein erwachsener Orang-Utan seine
kleinen Patscherchen faltet. Wie soll ich denn nur mich bei solchen
Meinungsäußerungen entscheiden? Selbst Natalie kann der
Versuchung nicht widerstehen, etwas in ihn hineinzulesen, das nicht
in ihm ist. Kleider und gute Manieren und aufrecht stehen. Und da
soll ich entscheiden!«
    Moira hatte seiner eifernden Rede mit geduldigem Gesichtsausdruck
zugehört. Jetzt stand sie auf. »Das ist der Punkt, Will. Es
ist Ihre Entscheidung, nicht die Natalies; nicht die der Gemeinde;
nicht die der Charies. Sie müssen allein entscheiden.«
     
    Er sah ihr durch das sternförmige Loch in der Glastür
nach, wie sie auf dem Rad davonfuhr. »Verdammte
Kongregationalisten«, knurrte er.
    Er verteilte sämtliche Briefe nach den Kriterien
»dafür«, »dagegen« und »völlig
wahnsinnig« auf drei Stapel, die er danach unterschiedslos in
den Papierkorb warf.
    Er rief Natalie und Esau herein und wies Esau an, ein Plastiknetz
als provisorischen Schutz vor das große bunte Glasfenster zu
spannen.
    Natalie war aufgeschreckt. »Was ist denn los?« fragte
sie, nachdem Esau mit dem Schlüssel zum Vorratsraum gegangen
war. »Sind Drohungen eingegangen?«
    Er zeigte ihr den Zettel, der um den Stein gewickelt gewesen war,
ließ aber die Briefe unerwähnt. »Heute abend werde
ich ihn wieder mit mir nachhause nehmen«, sagte er. »Wann
muß er nach Colorado Springs?«
    »Morgen.« Sie hatte einen der Briefe aus dem

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