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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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geangelt und las ihn. »Wir könnten absagen. Sie sind schon
mit der Situation vertraut«, sagte sie und errötete.
    »Nein. Er ist dort vermutlich sicherer als hier.« Er
ließ eine Andeutung seiner Müdigkeit in seine Stimme
einfließen.
    »Jetzt werden Sie es wohl nicht tun, oder?« sagte
Natalie unvermittelt. »Wegen einem Haufen Kriecher!« Sie
warf den Brief heftig auf den Schreibtisch. »Sie werden auf
diese Leute hören, nicht wahr? Auf einen Haufen Kriecher, die
nicht einmal wissen, was eine Seele ist; und Sie werden zulassen,
daß sie Ihnen erzählen, Esau habe keine Seele!« Sie
ging zur Tür; die Enden ihrer gelben Stola flatterten hinter ihr
her. »Vielleicht sollte ich den Leuten morgen sagen, daß
sie ihn behalten sollen; weil Sie ihn ja nicht haben
wollen.« Sie schlug die Tür hinter sich zu, und ein
weiterer Glassplitter löste sich und fiel klirrend zu Boden.
     
    Reverend Hoyt ging in die South-Denver-Bibliothek und suchte
Bücher über Affen und St. Augustin und Zeichensprache
heraus. Er las sie in seinem Büro, bis es draußen beinahe
dunkel geworden war. Dann ging er, um Esau zu holen.
    Die Schutzverkleidung hing schon vor dem Fenster. Im Kirchenraum
stand eine Leiter. Das Fenster ließ das dunkelblaue Licht der
Abenddämmerung und der aufgehenden Sterne hereinfallen.
    Esau saß in einer der hinteren Kirchenbänke, die kurzen
Beine gerade vor sich auf Samtkissen ausgestreckt. Seine Arme hingen
hinab, die Handflächen nach außen gedreht. Er ruhte sich
aus. Das Staubtuch lag neben ihm. Sein breites Gesicht zeigte nichts
außer dem Ausdruck erschöpfter Entspannung. Seine Augen
blickten so traurig, wie Reverend Hoyt es noch nie bei einem lebenden
Wesen gesehen hatte.
    Als Esau Reverend Hoyt erblickte, kletterte er sofort bereitwillig
aus der Bank. Sie gingen zum Gemeindehaus. Esau machte sich sogleich
auf die Suche nach der Katze.
     
    Die Leute von Cheyenne Mountain kamen ziemlich früh am
nächsten Morgen. Reverend Hoyt bemerkte ihren Lieferwagen auf
dem Parkplatz. Er beobachtete Natalie, wie sie Esau zu dem Wagen
geleitete. Der junge Mann aus dem Center öffnete die Tür
und sagte etwas zu Natalie. Sie nickte und lächelte ihn seltsam
scheu an. Esau nahm auf dem Rücksitz des Wagens Platz. Natalie
beugte sich hinein und umarmte ihn zum Abschied. Als der Lieferwagen
abfuhr, sah Reverend Hoyt Esau mit teilnahmslosem Gesicht aus dem
Fenster zurückstarren.
    Natalie warf keinen Blick in Reverend Hoyts Richtung.
    Gegen Mittag des nächsten Tages brachten sie Esau
zurück.
    Reverend Hoyt sah wieder den Wagen, und kurze Zeit später
brachte Natalie den jungen Mann in sein Büro. Sie war ganz in
Weiß gekleidet und trug kindischerweise ein Chorhemd über
dem weißen Talar. Sie sah wie ein Engel in einer Vorstellung
der Sonntagsschule aus. Pfingsten mußte vorüber sein, und
es schien, als habe Trinitatis begonnen.
    Sie wirkte noch immer scheu; scheuer, als sie es hätte sein
dürfen, wenn man voraussetzte, daß sie ihren Freund
angestiftet hatte, ihre Sache zu verteidigen. Reverend Hoyt fragte
sich, wie oft dieser spezielle junge Mann wohl kommen mochte, um nach
Esau zu schauen.
    »Ich dachte mir, Sie möchten vielleicht erfahren, wie
sich die Dinge unten im Center entwickeln, Sir«, sagte der junge
Mann flott. »Esau wurde körperlich untersucht und für
gesund befunden, obwohl er möglicherweise eine Brille braucht.
Er läßt Anzeichen für einen leichten Astigmatismus
erkennen. Im übrigen ist er für einen Mann seines Alters in
tadelloser körperlicher Verfassung. Sein Verhalten in unserem
Zeugungsprogramm hat sich in den letzten Monaten ebenfalls
auffällig gebessert. Männliche Orangs werden mit
zunehmendem Alter ausgesprochene Einzelgänger und Neurotiker und
häufig sehr depressiv. Esau war bis vor wenigen Monaten
überhaupt nicht bereit, zu kopulieren. Jetzt beteiligt er sich
regelmäßig an der Kopulation und hat bereits ein Weibchen
befruchtet.
    Was ich sagen will, Sir, ist dies. Wir haben den Eindruck,
daß Esaus Arbeit und die Freunde, die er hier hat, ihn weit
zufriedener und angepaßter gemacht haben, als wir es je bei
einem Affen erlebt haben. Wir möchten Ihnen gratulieren. Wir
würden jede Störung seines Wohlbefindens zutiefst bedauern,
nachdem er solche Fortschritte gemacht hat.«
    Ein äußerst überzeugender Vortrag, dachte
Reverend Hoyt. Ein glücklicher Affe ist ein zeugender Affe.
Ein getaufter Affe ist ein glücklicher Affe… daraus
folgt…
    »Ich verstehe«,

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