Brandwache
bei seiner Arbeit zwischen den Querbalken
entlanghangelte. Ehe Esau gekommen war, hatten sie es mit Leitern
probiert, aber sie waren nicht sicher gewesen und hatten Kratzer an
den Balken verursacht. Einmal war eine Leiter umgekippt und nur
wenige Zentimeter von dem Lazetti-Fenster entfernt
niedergestürzt.
Reverend Hoyt beschloß, nichts zu sagen, bis er sich eine
Meinung in der Sache gebildet hatte. Auf Natalies lästige Fragen
hatte er immer dieselbe geduldige Antwort parat: »Ich habe noch
nichts beschlossen.«
Am Sonntag hielt er die Predigt über Demut, die er schon
vorbereitet hatte.
Als er die abschließende Bibelstelle vorlas, erblickte er
zufällig Esau, der auf einer Balkenkreuzung hockte, die Arme
haltsuchend um einen Strebepfeiler geschlungen, und ihm beim Lesen
zusah. »›Siehe mich an, meine Füße strauchelten,
und fast wäre ich ausgeglitten. Ich war blöde und
unwissend. Ich war wie ein wildes Tier vor dir.‹«
Er ließ seinen Blick über die Gemeinde schweifen. Die
Gläubigen sahen selbstzufrieden drein, blasiert. Er sah zu Esau
hin.
»›Dennoch bin ich ständig bei dir; du führest
mich an meiner Hand. Später willst du mich in deine Herrlichkeit
aufnehmen. Mein Fleisch und mein Herz mögen fehlgehen, aber Gott
ist die Stärke meines Herzens und meine Mitgift für
immer.‹« Er schlug die Bibel zu. »Ich habe nicht alles
über das Thema Demut gesagt, das zu sagen ich beabsichtigt
hatte; ein Thema, von dem nur sehr wenige unter euch etwas
wissen.«
Die Gemeindemitglieder sahen überrascht aus. Natalie, die ein
gelbes Seidenkasel über einem leuchtend roten Talar trug,
strahlte.
Er hieß Natalie, den Segen über den aufkommenden
Aufruhr zu schmettern und ging durch die Tür des Organisten
hinaus und ins Pfarrhaus zurück. Er stellte das Telefon so
leise, wie es nur ging.
Eine Stunde später kreuzte Natalie mit Esau im Schlepp auf.
Sie war erregt. Ihre Wangen waren so rot wie ihr Talar. »Oh, ich
bin so froh, daß Sie sich entschlossen haben, doch noch etwas
anzudeuten. Ich hatte es so gehofft. Sie werden sehen, daß alle
es für eine wundervolle Idee halten! Ich wünschte aber, Sie
hätten ihn getauft. Denken Sie doch nur daran, wie
überrascht alle gewesen wären! Die erste Taufe
überhaupt, und das in unserer Kirche! Oh, Esau, bist du nicht
aufgeregt? Du wirst getauft!«
»Ich habe mich noch nicht entschieden, Natalie. Ich habe der
Gemeinde mitgeteilt, daß die Frage aufgetaucht ist, mehr
nicht.«
»Aber Sie werden sehen, daß sie es für eine
wundervolle Idee halten.«
Er schickte sie nachhause und schärfte ihr ein, keine Anrufe
entgegenzunehmen und keine Reporter zu empfangen; ein Verbot, von dem
er wußte, daß sie es vollständig ignorieren
würde. Er behielt Esau bei sich, bereitete für sie beide
ein nettes Abendessen und stellte den Fernseher rechtzeitig zu einem
Baseballspiel an.
Esau ergriff die Katze Reverend Hoyts, einen alten Kater, der
Menschen im Pfarrhaus nur duldete, und trug sie zu seinem Sessel
hinüber vor das TV. Reverend Hoyt erwartete eine Explosion von
Krallen und verletzten Gefühlen, aber der Kater machte es sich
in Esaus Schoß zufrieden bequem.
Als es an der Zeit war, zu Bett zu gehen, setzte Esau die Katze
behutsam auf ein Ende des Gästebettes und streichelte sie
ausgiebig. Dann kroch er mit dem Kopf nach vorn ins Bett, wie es
Natalie immer so peinlich war. Reverend Hoyt deckte ihn zu. Er war
sich darüber im klaren, daß es töricht war. Esau war
völlig erwachsen. Er kam selbst zurecht und konnte auf sich
selbst aufpassen. Trotzdem schien es richtig zu sein.
Esau lag dort und sah zu ihm auf. Er hob einen Arm, um zu sehen,
ob die Katze noch auf dem Bett war, und drehte sich auf die Seite,
den Arm unter den Nacken gelegt. Reverend Hoyt knipste das Licht aus.
Er kannte das Zeichen für »gute Nacht« nicht, deshalb
winkte er nur ein versuchsweises, kleines Winken von der Tür
her. Esau winkte zurück.
Esau nahm sein Frühstück mit der Katze auf dem
Schoß ein. Reverend Hoyt hatte das Telefon wieder laut
gestellt, und es klingelte andauernd. Er gab Esau durch Zeichen zu
verstehen, daß es an der Zeit war, zur Kirche
hinüberzugehen. Esau signalisierte etwas und zeigte dabei auf
den Kater. Es war offensichtlich, daß er ihn mitnehmen wollte.
Reverend Hoyt signalisierte ihm ein sehr freundliches
»nein«, indem er die Spitzen der beiden ersten Finger an
den Daumen legte, aber dabei lächelte, um Esau zu zeigen,
daß er über sein Ansinnen nicht
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