Brandwache
leiser Stimme zu dem jungen Mann und eilte zu Esau und
fiel neben ihm auf die Knie nieder.
»Esau, geht es dir gut? Ist er krank?«
Reverend Hoyt suchte verzweifelt nach den richtigen Worten.
»Ich fürchte, er ist gestürzt, Natalie.«
»Von der Leiter«, ergänzte sie sofort. »Er ist
von der Leiter gestürzt.«
»Glauben Sie, wir sollten ihn flach hinlegen; die
Füße höher gelagert?« fragte Moira. »Er
muß einen Schock bekommen haben.« Reverend Hoyt hob Esaus
Oberlippe an. Sein Zahnfleisch war graubläulich verfärbt.
Esau hustete ein wenig und spie einen Schwall schaumiges Blut
über seine Brust.
»Oh«, entrang sich Natalie ein Seufzer, und sie schlug
sich die Hand vor den Mund.
»Ich glaube, daß er in dieser Lage besser Luft
bekommt«, sagte Reverend Hoyt.
Moira kam mit einer Wolldecke an. Reverend Hoyt breitete sie
über Esau und stopfte ihre Ränder unter seine Schultern.
Natalie wischte ihm mit einem Zipfel ihres Chorhemdes Mund und Nase
ab.
Dann warteten alle auf den Arzt.
Als der Arzt kam, entpuppte er sich als ein junger Mann, dessen
Brillengläser ihm ein eulenhaftes Aussehen verliehen. Reverend
Hoyt kannte ihn nicht.
Er lagerte Esau mit dem Rücken auf den Boden und legte ihm
ein Kissen von der Kirchenbank aus Samt unter die Füße, um
sie hochzulagern. Er warf einen kritischen Blick auf Esaus
Zahnfleisch, wie Reverend Hoyt es ebenfalls getan hatte, und
fühlte seinen Puls. Er bereitete bedächtig und methodisch
eine Infusion vor und rasierte ein Stückchen Haut an Esaus
Arm.
Seine gewissenhafte Arbeit beruhigte Natalie. Sie setzte sich auf
die Fersen, die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück.
Reverend Hoyt konnte sehen, daß Esaus Blutdruck viel zu
schwach war. Als der Arzt die Nadel einstach und sie mit dem
Plastikschlauch voll Glukoselösung verband, wurde kein Blut in
dem Schlauch sichtbar.
Der Arzt untersuchte Esau mit äußerster Rücksicht
und wies Natalie an, ihn mittels Zeichensprache zu fragen. Der Orang
reagierte nicht. Sein Atem wurde ein wenig freier, aber aus seiner
Nase quoll noch immer Blut.
»Es liegt ein Bauchfellriß vor«, sagte der Arzt.
»Die inneren Organe sind in den freien Brustraum gepreßt
worden und beengen die Lunge. Er muß bei seinem Sturz auf etwas
aufgeschlagen sein.« Die Ecke einer Kirchenbank. »Er steht
unter einem starken Schock. Wie lange liegt der Unfall
zurück?«
»Es muß geschehen sein, ehe ich kam«, sagte Moira
und trat zu dem Arzt. »Ich habe die Leiter nicht gesehen, als
ich gekommen bin.« Sie sammelte ihre Gedanken. »Vor drei
Uhr.«
»Ich werde die verlorene Blutflüssigkeit ersetzen,
sobald ich eine Konserve bekommen kann.« Er wandte sich an den
jungen Mann. »Haben Sie eine Ambulanz gerufen?«
Der junge Mann nickte.
Esau hustete erneut. Das Blut war hellrot und schaumig.
Der Arzt sagte: »Er hat einen Lungenriß.« Er
überprüfte sorgfältig die Infusionsspritze. »Wenn
Sie mich bitte für einen Augenblick mit ihm allein lassen
wollen, werde ich zusehen, ob ich seiner Lunge ein wenig mehr
Freiraum verschaffen kann.«
Natalie legte beide Hände vor den Mund, um einen Seufzer zu
unterdrücken.
»Nein«, sagte Reverend Hoyt.
Der Arzt bedachte ihn mit einem vielsagenden, strengen Blick. Sie wissen, was getan werden muß. Ich vertraue darauf,
daß sie genug Verständnis aufbringen, mir zu helfen, diese
Leute von hier zu entfernen, damit sie mich nicht behindern.
»Nein«, wiederholte er; diesmal sanfter. »Es gibt
etwas, das wir zuvor erledigen müssen. Natalie, holen Sie mir
das Taufgefäß und mein Gebetbuch.«
Sie erhob sich, wischte sich mit der blutgeröteten Hand die
Tränen ab und ging wortlos, um das Verlangte zu holen.
»Esau«, sagte Reverend Hoyt. Bitte, Gott, gib,
daß ich mich der wenigen Zeichen erinnere, die ich kenne. »Esau Kind Gottes.« Er signalisierte den komischen
kleinen Gruß, der Gott bedeutete. Er hielt die Hand in
Höhe der Taille, um das Kind anzudeuten. Er hatte keine Ahnung,
wie er den Besitz-Begriff darstellen mußte.
Esaus Atem war flacher geworden. Er hob die rechte Hand ein wenig
und ballte sie zur Faust. »S-A-M…«
»Nein!« Reverend Hoyt schlug zwei Finger in einem
obszönen Zeichen über den Daumen. Er schüttelte
energisch den Kopf. »Nein! Esau ist Gottes Kind!«
Die Zeichen weigerten sich, auszudrücken, was er zu sagen
beabsichtigte. Er kreuzte die Fäuste über der Brust, das
Zeichen für Liebe. Esau bemühte sich, dasselbe Zeichen zu
machen. Aber sein rechter Arm verweigerte
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