Brandzeichen
Geheimbotschaft. Dies ist die einzige Geschichte, die wir bisher gehört haben, in der eine Geheimbotschaft vorkommt. Vielleicht ist das Ganze wirklich nur eine Legende, aber der Täter könnte immer noch davon ausgehen, dass sie stimmt.«
»Er wollte also diese Puppe bekommen, als er mich vor zwanzig Jahren entführt hat?«, fragte Juliet.
»Vielleicht. Das werden wir erst erfahren, wenn wir ihn finden. Aber die Polizei ist ihm auf der Spur. Wir treffen alle nötigen Vorkehrungen. Deswegen brauchen Sie und Ihre Großmutter sich auch keine Sorgen zu machen.«
»Vielleicht sollten wir doch ins Hotel ziehen«, sagte ihre Großmutter. »Aber in ein schönes Hotel!«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Diane. »Ich werde einen Museumswachmann im Nebenzimmer einquartieren, der auf Sie aufpasst.«
»Das klingt nicht schlecht«, sagte Mrs. Torkel. »Sie können uns vorher zu deinem Apartment begleiten, damit du dir ein paar Sachen holen kannst, Juliet. Dann kann ich mir auch einmal anschauen, wie du so lebst. Und dann ziehen wir in ein nettes Hotel.«
Juliet lächelte ihre Großmutter an. Diane hatte den Eindruck, dass Mrs. Torkel im Vergleich zu Juliets Kinderzeit bedeutend zugänglicher und milder geworden war.
Als der Kuchen aufgegessen war, führte Diane sie ins Sicherheitsbüro, um ihnen eine Begleitperson und einen Wachmann zuzuteilen. Von dort ging sie in ihr Büro. Sie holte den Beweismittelbeutel mit dem Original der Geheimbotschaft aus dem Safe und brachte ihn in den obersten Stock des Ostflügels, wo die Museumsbücherei und das Archiv lagen.
Beth, die Museumsbibliothekarin, war eine zierliche Frau mittleren Alters mit schneeweißem Haar, die man zugunsten jüngerer Kollegen aus der Universitätsbibliothek hinausgeekelt hatte. Zwar widersprach jede Altersdiskriminierung den Bestimmungen, aber an Mobbing erinnernde passiv-aggressive Maßnahmen wie das Übergehen bei Beförderungen waren nur schwer zu beweisen. Beth hatte es also vorgezogen, die Stelle zu wechseln, was ein Gewinn für das Museum und ein schwerer Verlust für Bartram war.
Als Diane die Tür öffnete, war ein leises Klingeln zu hören. Beth stand mit einem Buch in der Hand auf einer hohen Bibliotheksleiter. Als sie Diane bemerkte, stellte sie das Buch ins Regal zurück und stieg herunter.
Ihr schien es in ihrem marineblauen Hosenanzug warm genug zu sein, während Diane fröstelte. Beth mochte es in ihrer Bibliothek immer etwas kühler, während Diane wärmere Temperaturen vorzog.
»Dr. Fallon«, sagte sie, »was kann ich für Sie tun?«
Eine von Beths Spezialitäten als Bibliothekarin und Archivarin waren ihre außergewöhnlichen genealogischen Kenntnisse. Sie hielt im Museum immer wieder Kurse über Familiengeschichte ab. Die Genealogie war ja eigentlich kein Teil der Naturkunde, aber man konnte sie immerhin im weitesten Sinne zur Geschichte der menschlichen Entwicklung rechnen. Außerdem waren viele Menschen so sehr an diesem Thema interessiert, dass sie bereit waren, gutes Geld für diese Kurse zu zahlen, was wiederum dem Museum zugutekam.
»Beth, ich habe eine Aufgabe für Sie«, sagte Diane.
Sie lächelte. »Sie ist hoffentlich nicht so schwer wie die, die Sie Kendel gegeben haben.«
Diane erwiderte ihr Lächeln. »Ich glaube nicht. Ich möchte, dass Sie jemanden für mich aufspüren. Ich möchte wissen, wer seine Vorfahren, zumindest über zwei Generationen, waren, vor allem aber, ob es Nachfahren – und dies nicht nur in direkter Abstammung – gibt.«
Beth holte sich Papier und Bleistift. »Wie ist sein Name?«
»Leo Parrish. Ich weiß nicht, ob das die korrekte Schreibweise ist. Er war in den 1930er Jahren in seinen Zwanzigern und lebte damals in Glendale-Marsh, Florida. Im Zweiten Weltkrieg hat er sich freiwillig als Soldat gemeldet, ich weiß aber nicht, bei welcher Einheit oder Waffengattung er diente. Er wurde dann als vermisst gemeldet. Während seiner Dienstzeit schrieb er zumindest einen Brief an seine Angehörigen, die ich aber nicht kenne. Ich gebe zu, das ist nicht gerade viel.«
»Tatsächlich ist das gar nicht wenig. Wann brauchen Sie diese Informationen?«
»Gestern, wenn Sie es einrichten können«, lachte Diane.
»Zeitreisen sind meine Spezialität. Ich sehe, was ich machen kann.«
Beth lächelte. Diane dankte ihr und ging die Treppe hinunter ins Konservierungslabor und dort in das Büro des Chefkonservators.
»Korey«, sagte Diane, »haben Sie eine Minute Zeit?«
»Dr. F.«, sagte Korey, »ich wäre
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