Brandzeichen
legte ihr jemand die Hand auf den Arm.
»Habe ich recht gehört, dass Sie die … Studenten in diesem Haus identifizieren?« Die Frau schaute Diane mit rotunterlaufenen Augen an. Sie hatte ihr etwas stumpf aussehendes honigblondes Haar einfach nach hinten zurückgekämmt. Sie trug einen, wie Diane wusste, ziemlich teuren Jogginganzug und ein Paar Laufschuhe, die mindestens 200 Dollar kosteten. Diane begriff sofort, dass es sich um die Mutter eines der Studenten handelte.
»Ja.« Diane lächelte leicht. Sie wünschte, sie könnte ihr sagen: »Nein, ich habe damit überhaupt nichts zu tun« – vor allem, wenn sie in die angstgeweiteten Augen dieser Mutter sah.
Die Frau drückte Diane einen Ordner in die Hand. »Dies sind Bilder meiner Tochter. Bitte sagen Sie mir, ob Sie sie gesehen haben.« Sie öffnete den Ordner und drückte ihn Diane beinahe ins Gesicht.
»Die Polizei hat da drüben eine Meldestelle für Vermisste eingerichtet« – Diane zeigte hinüber zum Empfangstisch. »Dorthin können Sie Ihre Bilder und …« Sie hörte mitten im Satz auf, da sie sich scheute, das Wort » DNA -Proben« zu benutzen. Außerdem konnte sie ihr nicht die Wahrheit sagen, dass nämlich keiner der Körper mehr zu erkennen war.
Diane trat unbewusst einen Schritt zurück, als sie auf das Bild einer schönen jungen Frau mit hellem Teint und langem, leicht gewelltem blondem Haar hinunterschaute, das von einer blauen Haarklammer zusammengehalten wurde. Etwas wie ein Elektroschock durchfuhr ihren ganzen Körper, wobei sie versuchte, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen. Schließlich konnte man einen Menschen nicht einfach anhand einer einzigen Haarlocke identifizieren … auch wenn diese derjenigen noch so sehr glich, die vor ihr auf dem Obduktionstisch gelegen hatte. Diane wich noch etwas weiter zurück, bis sie der hinter ihr stehende Tisch aufhielt.
»Die wollen mir nichts sagen … bitte …«
Die Frau blätterte die Bilder ihrer Tochter durch und zeigte einige davon Diane – die Konfirmation, eine Ballettvorstellung, der Abschlussball, der Highschool-Abschluss. Ein ganzes Leben in einem einzigen Augenblick. Diane hätte am liebsten geweint.
»Ich weiß, dieses Warten ist qualvoll. Aber es ist einfach ein langwieriger Prozess … Wir arbeiten, so schnell wir können. Sobald wir etwas Definitives wissen …«
»Sie verstehen nicht«, sagte die Frau. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich muss einfach etwas wissen. Ich kann meine Tochter nicht finden.«
Diese letzte Bemerkung brach Diane fast das Herz. Wie oft hatte sie damals im Dschungel exakt diese Worte vor sich hergesagt, als sie ihre Adoptivtochter Ariel nicht finden konnte, die zusammen mit vielen ihrer Freunde in der Mission getötet worden war. Man hatte sie umgebracht, um die Untersuchung von Menschenrechtsverbrechen zu stoppen, die ihr Team zu dieser Zeit in Südamerika durchführte. Diane ließ den Donut fallen und hielt sich an dem hinter ihr stehenden Tisch fest.
»Es tut mir leid …« Diane suchte nach den richtigen Worten.
»Mrs. Reynolds.« Jere Bowden trat neben die Frau und legte ihr den Arm um die Schulter. »Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich. Wir sind in dieselbe Sonntagsschulklasse gegangen. Warten ist hart. Wir werden alle gemeinsam mit Ihnen warten. Bitte setzen Sie sich, und trinken Sie einen Becher heißen Kakao. Dann gehe ich mit Ihnen dort hinüber, und wir reden noch einmal mit diesem Polizisten.«
Diane beobachtete, wie Mrs. Bowden die gramerfüllte Mutter zu einem Stuhl führte und sich dann neben sie setzte. Mrs. Reynolds umklammerte die Fotos in ihrem Schoß, als ob sie sich an ihre Tochter klammern würde. Diane fühlte, wie sehr sie an dieser hing. Dann brachte ihr Shane eine Tasse mit einer dampfenden Flüssigkeit. Als sich Diane gerade mit ihrer eigenen Tasse wieder auf den Weg zu Brewster machen wollte, kam er ihr seinerseits entgegen. Sie nahm einen kleinen Schluck und verbrannte sich dabei fast die Zunge.
»Hier, das ist besser für die Nerven.« Leslie reichte ihr eine Tasse Kakao, in der ein Marshmallow schwamm, nahm ihr den Kaffee aus der Hand und stellte ihn auf den Tisch.
»Vielen Dank, Leslie. Sie und Ihre Familie sind sehr freundlich«, sagte Diane.
Leslie fasste sich an ihren dicken Bauch. »Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie das ist, darauf zu warten zu erfahren, ob das eigene Kind umgekommen ist. Das ist einfach schrecklich.«
»Ja, das ist es«, flüsterte Diane.
Brewster trat
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