Brandzeichen
fertig«, sagte Lynn und deutete zu dem Tisch hinüber, an dem Brewster Pilgrim vorhin gearbeitet hatte.
Jin zog sich ein frisches Paar Handschuhe an, ging ebenfalls zu dem von Pilgrim untersuchten Leichnam hinüber und begann, dessen Oberschenkelknochen durchzuschneiden, um eine DNA -Probe zu nehmen. Er arbeitete nun wieder ganz konzentriert, ohne sich weiter von irgendwelchen »Geheimnissen« ablenken zu lassen.
Diane verließ das Zelt und atmete draußen erst einmal tief durch. Die Luft war so kalt, dass ihre Lunge bei jedem Atemzug schmerzte. Trotzdem tat es gut, eine Zeitlang diesem Leichenzelt entkommen zu sein.
[home]
7
E s hatte wieder zu graupeln begonnen. Die eisigen Tropfen fühlten sich auf Dianes Gesicht an wie winzige Nadelstiche. Während die restliche Stadt im Dämmerlicht lag, erhellten starke Argonlampen die Zeltstadt und tauchten sie in einen beinahe gespenstischen Glanz. Auf der einen Seite der Straße waren Suchscheinwerfer und seltsame Bergungsmaschinen im Einsatz, während auf der gegenüberliegenden Seite eine stille Menschenmenge das Geschehen beobachtete. Die ganze Atmosphäre erinnerte sie an die makabren Filme von David Lynch.
Diane schaute sehnsüchtig in Richtung ihres Apartments, widerstand dann aber der Versuchung. Sie würde nur eine kurze Pause im Kaffeezelt einlegen. Aber erst einmal ging sie zur Brandstätte hinüber.
Über die geschwärzten Trümmer des Hauses hatte man nun ein Brettergerüst gelegt und die Brandstätte durch gespannte Seile in ein Netz von Suchsegmenten aufgeteilt. Das Ganze wurde von allen Seiten durch starke Scheinwerfer taghell erleuchtet. Neva und David lagen bäuchlings auf zwei Brettern und durchsuchten sorgfältig ein in der Nähe des ehemaligen Vordereingangs gelegenes Netzsegment. Auf der einen Seite der Zufahrt hob ein Mobilkran gerade einen mit allem möglichen Schutt gefüllten Korb aus dem ausgebrannten Keller.
Diane schaute über den Rand in das dunkle Loch hinunter, aus dem immer noch vereinzelt Rauch- und Dampfschwaden in den kalten Nachthimmel aufstiegen. Das blendend helle Scheinwerferlicht schien von den verkohlten Trümmern dort unten regelrecht absorbiert zu werden. Ein Windstoß ließ aus dem Keller einen scharfen Gestank emporsteigen, eine Mischung aus Holzrauch, nassem, verbranntem Müll, geschmolzenem Kunststoff und versengtem Fleisch, der man noch ein paar Chemikalien beigefügt hatte. Diane trat ein paar Schritte zurück und atmete gierig die reine, kalte Nachtluft ein.
Das Haus war noch gestern ein gelber viktorianischer Bau mit einem achteckigen Turm, einem hoch aufragenden Dach, Kaminen, einer umlaufenden Veranda und einer weißen, verspielten Holzverkleidung gewesen. Mehrere Generationen von Studenten hatten dort einen Großteil ihrer Studienjahre verbracht.
Diane erinnerte sich daran, wie einige von ihnen am Wochenende eine große Abdeckplane ausgelegt und Unmengen Sand darauf geschüttet hatten, um ein Beachvolleyballturnier zu veranstalten. Wenn sie vorbeikam, saß meist einer von ihnen auf der Verandaschaukel und las ein Buch, während andere auf den Außenstufen saßen und ihren Freunden nachriefen, die am Haus vorbeifuhren. Und jetzt … nichts mehr, nur noch ein Haufen schwarzer Asche, über dem ein Spinnennetz von Tatortbändern und ein Brettergerüst hingen.
Lag jetzt vielleicht einer der Studenten, die sie auf der Verandaschaukel gesehen hatte, auf ihrem Obduktionstisch? Der Gedanke machte sie tieftraurig.
Diane ging über den Zugangsweg, den ihr Team frei geräumt hatte, auf den Eingang des ausgebrannten Hauses zu. Der Schnee auf diesem Pfad war inzwischen geschmolzen und hatte eine Matschfläche hinterlassen, über die man jetzt Bretter gelegt hatte. David sah sie kommen, stand auf und ging ihr entgegen, wobei er die Baseballkappe zurechtrückte, die er auf seinem kahlen Schädel trug. Neva schaute hoch und winkte, setzte aber ihre Arbeit fort.
Der Graupelschauer wurde immer stärker, und Diane fühlte, dass ihre Haare nass wurden. Sie holte eine Strickmütze aus ihrer Manteltasche und zog sie sich über.
»Wie geht’s voran?« Sie konnte an Davids Gesichtsausdruck erkennen, dass er überhaupt nicht zufrieden war.
»Frustrierend.« Er nahm die Kappe ab, strich sich die nicht vorhandenen Haare glatt und zog die Kappe wieder auf. »Es läuft glatt, solange wir uns McNair vom Hals halten können.«
»Was treibt er denn?«
»Er mischt sich einfach nur in alles ein.«
»Er mischt sich ein?« Diane runzelte
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