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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Connor
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du heute bearbeitet?«
    Bearbeitet. Das klang nach kalter Behördensprache.
Er versucht, eine innere Distanz zu dieser Sache zu gewinnen,
dachte sie. »Sieben, vielleicht sogar mehr. Jin und ich …« Sie machte eine Pause, weil sie nicht sagen wollte, dass Jin und sie viele »Leichenteile« untersucht hätten. »Wir haben nur etwas mehr als drei Stunden gearbeitet. Wir glauben, dass es insgesamt zweiunddreißig Tote sind.«
    »Wie viele von den sieben waren weiblich?«, fragte Frank.
    »Drei«, antwortete sie.
    Frank hatte einen mathematischen Geist. Sie fragte sich, ob er jetzt gerade die Möglichkeit berechnete, ob eine davon Star gewesen sein könnte. Natürlich nicht. Welch dummer Gedanke. Er versuchte einfach nur, die Fassung zu bewahren, indem er Fragen stellte, auf die es eine konkrete Antwort gab.
    »Drei«, wiederholte er dann. »Wenn man eine Zufallsauswahl annimmt, müssten, statistisch gesehen, von den zweiunddreißig Opfern dreizehn oder vierzehn weiblich sein.«
    »Wir wissen aber nicht, ob sie nach dem Zufallsprinzip in diesem Haus verteilt wurden, als … als es explodierte, oder ob sie von uns nach dem Zufallsprinzip aufgefunden wurden.«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich versuche nur, mich irgendwie zu beschäftigen. Hier ist die Bibliothek.«
    Er stellte seinen dunkelblauen Geländewagen ab, und sie betraten sie durch den Säuleneingang. Seit dem 11. September standen riesige Pflanzenkübel aus Beton davor, damit ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug nicht bis direkt vor den Haupteingang fahren konnte. Sie gingen an den Kübeln vorbei, in die man Fichten gepflanzt hatte, und dann die Granitstufen hinauf.
    Am Informationsschalter saß eine junge Frau, die aussah, als ob sie selbst noch Studentin wäre. Frank fragte sie, ob es die Möglichkeit gebe, einzelne Bibliotheksbenutzer auszurufen, was sie verneinte. Aus ihrem mitfühlenden Blick war zu schließen, dass sie nicht die Ersten waren, die so etwas fragten.
    »Leider müssen Sie hochgehen und in jedem Stockwerk selbst nachsehen«, sagte sie. »Wenn Sie wissen, welche Kurse Ihr …«
    »Meine Tochter«, ergänzte Frank.
    »… Ihre Tochter belegt hat, könnten Sie in der entsprechenden Abteilung anfangen.« Sie überreichte ihnen ein großes zusammengefaltetes Stück Papier. »Dies hier ist der Bibliotheksplan.« Ihr mitfühlendes Lächeln schien sagen zu wollen: »Leider kann ich nicht mehr für Sie tun.«
    »Weißt du, welche Seminare sie in diesem Semester belegt hat? War nicht eines über amerikanische Geschichte dabei?«, fragte Diane.
    Frank studierte die Pläne der einzelnen Stockwerke. »Amerikanische Geschichte, Anthropologie, Englisch, Algebra und Fechten.«
    »Fechten?«, fragte Diane verblüfft nach.
    »Sie ist ziemlich gut. Sie denkt sogar darüber nach, der Fechtmannschaft beizutreten«, sagte Frank.
    Außerunterrichtliche Angebote. Sie begann, sich richtig fürs Collegeleben zu interessieren, so wie Diane es gehofft hatte.
Bitte lass sie nicht …
Diane konnte diesen Gedanken nicht einmal zu Ende denken.
    Sie entschlossen sich, die Bibliothek Stock für Stock zu durchsuchen, anstatt zu den verschiedenen Themengebieten zu gehen. Dies erschien ihnen die sinnvollere Methode zu sein. Die Gefahr war vorbei. Es eilte nicht, Star zu finden – wenn man einmal von ihrem eigenen Seelenfrieden absah. Sie wollten deshalb äußerst gründlich vorgehen.
    Die Bibliothek der Bartram-Universität war ein ziemlich verwinkeltes Gebäude. In mehreren Bauphasen hatte man an den alten Kern diverse Flügel angebaut. Die unterschiedliche Farbe der Backsteinwände zeugte von diesen verschiedenen Bauzeiten. Der beigefarbene Ziegelfußboden war hochglanzpoliert. Die Tische und Stühle waren aus hellem Holz und die Bücherregale aus Metall.
    Auf jedem Stockwerk gab es mehrere kleine Lesebereiche, in denen Tische, Sessel und sogar kleine Sofas standen. Die meisten Benutzer waren an diesem Abend etwa siebzehn- oder achtzehnjährige Studenten. Die wenigen älteren Leser hielt Diane für Studenten im Aufbaustudium und Dozenten.
    Sie und Frank trennten sich jetzt. Er suchte die Lesebereiche und Diane die Regalflächen ab. Sie ging dabei von Regal zu Regal und hoffte, irgendwo Stars kurze schwarze Haare mit den abstehenden Spitzen zu erkennen. Als Diane durch die Regale wanderte, schnappte sie immer wieder einzelne Gesprächsfetzen auf. »Ich habe gehört, dass es fünfzig Leichen sind.« Und: »Man konnte ihre Schreie noch zwei Straßen weiter

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