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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Connor
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hingerichtet?«
    »Nein«, sagte Diane und lächelte Grover an. »Was fällt Ihnen an diesen Knochen auf?«
    »Die sind ziemlich braun, Dr. Fallon. Ziemlich braun.«
    »Mhm«, murmelte Diane. Sie nahm nacheinander mehrere Knochen in die Hand, um sie genau zu betrachten. Danach untersuchte sie noch einmal den Schädel, dessen Innenseite und die Zähne.
    »Die Knochen sind ausgesprochen sauber«, sagte Jin.
    »Stimmt«, bestätigte Diane.
    »Sein Zahnschema wird uns hier wenig helfen«, sagte Rankin. »Er hat keine Füllungen, aber ein paar ziemlich schlimme Kariesstellen in seinen Backenzähnen. Und hier an diesem Schneidezahn bildete sich wohl gerade ein Abszess.«
    »Wie alt ist er – oder sie?«, fragte Jin.
    »Er. Das Becken ist eindeutig männlich. Er war wahrscheinlich Anfang zwanzig.« Sie zeigte ihnen die rauhe Oberfläche seiner Schambeinfuge, der vorderen knorpeligen Verbindung zwischen der rechten und linken Beckenhälfte. »Je älter man wird, desto mehr wird diese abgenutzt und geglättet. Außerdem bekam er gerade erst seine Weisheitszähne.«
    »Also, Grover«, sagte Lynn Webber, »was hat es nun mit diesen braunen Knochen auf sich?«
    »Ich glaube, er ist in einem Sarg bis auf die Knochen verwest. Sie glauben das doch auch, oder nicht, Dr. Fallon?«
    »Ja, das tue ich«, bestätigte Diane.
    »In einem Sarg?«, rief David aus. »Was meinst du damit?«
    »Knochen in einem Sarg nehmen oft diese tiefbraune Farbe an. Und schau doch«, sagte sie und gab David das Foto zurück. »So hätte sich dieser Junge doch zu Lebzeiten gar nicht zusammenkrümmen können, wenn er noch Fleisch auf den Knochen gehabt hätte – selbst wenn man ihn zusammengeschnürt hätte. Außerdem liegen alle Röhrenknochen parallel nebeneinander und die kleineren Knochen alle auf einem Haufen. Ich glaube, dass dieses Skelett in einer Schachtel unter dem Bett eines Studenten lag. Ich muss noch einige Untersuchungen durchführen, aber ich gehe jetzt schon davon aus, dass diese Knochen sehr alt sind, vielleicht hundert Jahre oder mehr.«
    »Nicht zu glauben«, sagte Rankin. »Sein Mörder weilt dann wohl auch nicht mehr unter den Lebenden. Aber hier stellt sich dann die Frage, wie ein Student an das Skelett eines Menschen gelangte, der offensichtlich nach seinem Tod ordentlich begraben worden war.«
    »Gute Frage. Wenn irgendwelche Bewohner dieses Hauses zu den Überlebenden gehören, können wir sie ja vielleicht danach fragen«, sagte Diane. »Inzwischen packe ich den Jungen wieder ein. Ich nehme ihn in mein Osteologielabor mit und untersuche ihn dann später.«
    »Das ist alles wirklich sehr interessant«, sagte Archie. Er stand hinter Jin und schaute diesem über die Schulter. »Ich wusste ja gar nicht, was man aus solchen Knochen alles herauslesen kann.«
    »Und das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem, was sie herausfinden wird, wenn sie diese erst einmal nach allen Regeln der Kunst analysiert«, sagte Jin.
    »Wollen Sie mir Honig ums Maul schmieren?«, fragte ihn Diane.
    »Wann immer ich kann, Boss«, antwortete er und grinste sie an.
    Als Grover die Knochen wieder in die Schachtel zurücklegte, tat er das so behutsam, als ob er dächte, dass auch die Toten noch Empfindungen hätten. Jin und David machten sich wieder zur Brandstätte auf, während alle anderen zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehrten. Nur Lynn Webber schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.
    »Okay, Grover«, sagte sie schließlich zu ihrem Laboranten, »wieso wussten Sie, dass sich Knochen in Särgen dunkelbraun färben?«
    »Wie Raymond zu sagen pflegte«, antwortete er, indem er an seinen Vetter erinnerte, der vor ihm diese Laborantenstelle innehatte, »manche Fragen sollte man besser nicht stellen.« Er schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln, und Lynn musste laut lachen.
    Diane vermutete, dass dies der erste Scherz war, den er jemals gemacht hatte.
    Diane verpackte und etikettierte nun die Knochen des Menschen, den sie vorläufig – also bis ein DNA -Abgleich den Befund bestätigen würde – als Daniel Wallace identifiziert hatte. Wie schrecklich musste es für Eltern sein, einen Sohn oder eine Tochter großzuziehen, größte Hoffnungen in ihn oder sie zu setzen und dann nach einer solchen Katastrophe nur noch ein paar Knochen zurückzubekommen und so nicht einmal ein Gesicht zu haben, von dem man sich verabschieden, oder einen Körper, den man zum letzten Mal umarmen konnte. Sie beneidete die Leute wirklich nicht, die Eltern eine solche

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