Brandzeichen
Nachricht überbringen mussten.
Am Ende dieses Tages waren alle Leichen obduziert und außer acht alle identifiziert. Sie glaubten allerdings, auch die meisten dieser acht noch identifizieren zu können, wenn erst alle Vermisstenmeldungen eingegangen sein würden. Es konnte durchaus noch eine weitere Woche oder sogar noch länger dauern, bis einzelne Vermisstenfälle bestätigt wurden und die entsprechenden forensischen Beweismittel zum Abgleich der Proben gesammelt werden konnten.
Diane musste noch herausfinden, zu wie vielen Individuen die einzeln gefundenen Knochen gehörten. Diese waren immer am schwersten zu identifizieren. Sie würde diese Einzelknochen in ihr Labor mitnehmen, da sie dort über bessere Analysegeräte verfügte. Außerdem würde sie dort viel ruhiger und ohne alle Ablenkung arbeiten können.
Als Pilgrims Laboranten eine der letzten Leichen hereinrollten, gelang es einem Reporter, ins Zelt zu gelangen, als kurzzeitig dessen Hintereingang unbewacht war. Er schlüpfte mit seiner Kamera hinein, blieb dann aber wie angewurzelt stehen, als man einen verkohlten Leichnam an ihm vorbeirollte, der die charakteristische »Faustkampfstellung« aufwies.
Wenn die stärkeren Beugemuskeln in einem Feuer schrumpfen und sich zusammenziehen, nehmen Arme und Beine die Haltung eines Boxers ein. Dies ist für die meisten Menschen ein verstörender Anblick. Das verbrannte Fleisch ist schon schlimm genug, aber die seltsamen Verrenkungen des Leichnams bringen sie dann endgültig aus der Fassung. Auch dieser Reporter starrte den Körper mit der Kamera in der Hand wie versteinert an, bis ihn ein Polizist aus dem Zelt führte.
Diane vermutete, dass er noch neu in diesem Job war. Offensichtlich hatte er noch nie einen schlimmen Unfall oder die Folgen eines Wohnhausbrandes an vorderster Front miterlebt. Er tat ihr leid. Dieses Bild würde er nie mehr aus dem Kopf bekommen.
»Ich glaube, das macht der nie wieder«, sagte Rankin, für den dieser entstellte Leichnam bestimmt war.
»Aber sein Bericht über unsere Arbeit hier wird deshalb umso schlimmer sein«, sagte Lynn.
»Wie könnte seine Beschreibung schlimmer sein als das, was wir alle hier erlebt haben?«, wandte Brewster Pilgrim ein.
»Da haben Sie auch wieder recht«, gab Lynn zu, die gerade ihren Laborkittel und ihre Latexhandschuhe auszog. »Ich setze mich zu Archie und erledige noch etwas Papierkram, dann gehe ich heim und lege mich ein paar Tage in meine Badewanne«, fuhr sie fort. »Außer wir bekommen noch ein paar Röntgenaufnahmen oder Zahnunterlagen rein, die ich bearbeiten muss.«
»Wissen Sie, was wir bisher überhaupt noch nicht gesehen haben?«, sagte Rankin plötzlich.
»Was denn?«, fragte Pilgrim.
»Meth-Münder. Selbst wenn die meisten Studenten wahrscheinlich nicht wussten, was im Keller dieses Hauses vor sich ging, und wohl auch kein Methamphetamin nahmen, bleiben immer noch die Drogenköche in diesem Keller und vielleicht noch ein paar andere Bewohner dieses Hauses. Bestimmt waren doch auch ein paar Drogenkäufer auf dieser Party. Trotzdem habe ich keinen einzigen dieser entzündeten Münder mit den Zahnschäden gesehen, wie sie für schwerst Meth-Abhängige so typisch sind.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Pilgrim.
Lynn schaute von ihren Formularen hoch. »Und was genau bedeutet das Ihrer Meinung nach?«, fragte sie.
Rankin zuckte mit seinen dünnen Schultern. »Wenn das nur jemand gewesen wäre, der für sich und seine Junkie-Freunde Drogen gekocht hätte, wären wohl einige dieser Freunde auch auf dieser Party gewesen. Aber ich habe nur Leichen mit weitgehend intakten und gesunden Zähnen gesehen. Die schlechtesten Zähne hatte unsere hundertjährige Sargleiche. Wenn es sich dagegen um ein professionelles Drogenlabor handelte, dessen Meth an mehrere Verteiler ging, dann müssen gar keine Abhängigen auf dieser Party gewesen sein. Das ist alles. Ich denke nur laut.«
»Das ist eine interessante Überlegung«, sagte Diane. »Auch die Zähne, die ich untersucht habe, sind nur durch das Feuer beschädigt worden. Keinerlei Anzeichen von Methamphetaminmissbrauch.«
»Da könnte etwas dran sein«, bestätigte Pilgrim. »Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich die Folgerungen aus dieser Theorie mag. Wir hätten dann hier ein weit größeres Problem.«
»Wir haben dieses Problem bereits, glauben Sie mir«, meldete sich Archie zu Wort. »Wir sind hier nur eine Autostunde von Atlanta entfernt. Warum sollte ausgerechnet Rosewood
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