Brandzeichen
so wichtig für mich. Ich muss ganz allein arbeiten können. Das Zusammenstellen von Unterrichtsmaterialien und das Katalogisieren von Meerestierschalen ist genau das Richtige für mich.«
»Haben Sie schon einmal Fachleute wegen Ihrer Ängste konsultiert?«, fragte Diane.
»Ja. Auf dem College. Aber die konnten mir auch nicht helfen.«
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Diane, »das Ganze ist sehr persönlich, und ich wollte Sie wirklich nicht ausforschen. Was machen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit? Sie haben doch etwas, was Ihnen Spaß macht, oder?«
Juliet dachte einen Moment nach. »Nein, eigentlich nicht.« Sie zuckte die Achseln. »Ich lese gerne.«
»Welche Art von Büchern?«, fragte Diane nach.
»Biographien von historischen Persönlichkeiten. Ich lese gerade Dumas Malones Biographie von Thomas Jefferson.«
Diane schaute sie erstaunt an. »Welchen Band?«
»Den sechsten,
Der Weise von Monticello
. Kennen Sie den?«
»Nein«, sagte Diane. »Ich habe nur davon gelesen. Ich mag vor allem Science-Fiction-Romane.«
»Wirklich. Ich mag auch historische Liebesromane.« Sie lächelte leicht verschämt, als ob sie ein intimes Geheimnis preisgeben würde.
Diane hatte das Gefühl, dass sie allmählich etwas auftaute.
In diesem Augenblick brachte die Kellnerin die Gemüseplatten. Sie aßen schweigend.
Diane war froh, dass sie jetzt doch einiges über sie erfahren hatte.
»Ich arbeite gerne hier«, sagte Juliet plötzlich. »Ich weiß, ich bin ein wenig seltsam, aber ein solches akademisches Umfeld ist ideal für Leute, die ein wenig seltsam sind.«
Diane grinste. Sie konnte ihr nur zustimmen. »Ich glaube, wir alle hier sind etwas seltsam. Ich erforsche zum Beispiel gerne Höhlen. Die meisten Menschen finden das sehr seltsam und ganz besonders mein Freund.«
»Ich habe schon davon gehört, dass Sie Höhlensportlerin sind. Ich gebe zu, dass ich mir nicht vorstellen kann, jemals in eine solche Höhle hinabzusteigen.«
»Das geht den meisten Leuten so. Für mich sind Höhlen dagegen absolut wunderbare und geheimnisvolle Welten.«
»Der Geologiekurator ist auch ein Höhlensportler, nicht wahr?«, fragte Juliet.
»Ja. Er ist einer meiner Höhlenkameraden. Der Höhlensportlerklub trifft sich einmal im Monat hier im Museum, wenn Sie einmal vorbeikommen wollen. Sie müssen natürlich nicht selbst in eine solche Höhle steigen. Aber Sie könnten der Gruppe einen Vortrag über fossile Muscheln halten. Diese Treffen sind immer auch eine Art wissenschaftliche Fortbildung für uns Höhlengänger.«
Diane erzählte ihr dann von den Höhlen, die sie bisher erforscht hatte, und dass Mike, der Kurator der Geologieabteilung, seit kurzem in der Extremophilenforschung tätig war.
Ihre Unterhaltung war etwas holprig und angestrengt und ganz gewiss ziemlich einseitig, aber Diane hatte das Gefühl, dass Juliet das gewohnt war.
»Sie haben hier einen phantastischen Schokoladenkuchen«, sagte sie dann.
Sie rief die Kellnerin und bestellte ein Stück. Juliet schloss sich ihr an.
»Ich mag Schokolade«, sagte sie. »Die muschelförmigen Schokoladenplätzchen im Geschenkkorb schmeckten großartig. Ich wollte mir noch ein paar kaufen, aber dann habe ich herausgefunden, dass sie Andie selbst gemacht hat.«
Diane hatte die Geschichte mit dem Geschenkkorb bisher nicht angesprochen – und schon gar nicht Juliets Schreianfall wegen einer einfachen Meerjungfraupuppe. Einige Dinge ließ man besser unerwähnt. Trotzdem interessierte sie sich natürlich für deren Hintergründe.
»Ich kenne Darcy Kincaid ein bisschen«, sagte Juliet. »Sie entwirft gerade eine Ausstellungsvitrine für unsere Abteilung. Sie glaubt, dass man die fossilen Muscheln viel interessanter präsentieren kann. Ich hoffe, sie kommt wieder in Ordnung.«
»Ich auch«, sagte Diane.
»Wissen Sie, wie es ihr geht?«
»Die Ärzte können selbst noch nichts sagen. Vielleicht morgen.«
»Darcy hat noch so viel vor. Sie will ihren Doktor machen und ihren Freund dazu bringen, dass er ihr einen Heiratsantrag macht. Ich bin ihm einmal begegnet. Ein charmanter Junge«, fügte sie hinzu.
Die Art, wie sie
charmant
sagte, ließ Diane vermuten, dass sie genau das Gegenteil meinte. Aber in ihren hellblauen Augen ließ sich nichts Derartiges erkennen.
Die Kellnerin brachte jetzt den Nachtisch, einen feuchten dreistufigen Schokoladenkuchen mit einer Buttercremeglasur und Schokostreuseln. Juliet hob nach dem ersten Bissen eine Augenbraue.
»Das ist köstlich.«
Die
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