Brandzeichen
arbeitet.«
»Darf ich nach Ihrem Namen fragen?«
Patrice Stanton schwieg einen Moment.
Überrascht sie diese höfliche Reaktion? Hat sie gemerkt, dass ich das bin? Fragt sie sich, ob sie sich zu erkennen geben soll? Sucht sie nach einer schnippischen Antwort?
»Sagen Sie ihr, dass es die Mutter war, deren Sohn sie ermordet hat«, sagte sie schließlich, »kaltblütig ermordet.«
»Kaltblütig … ermordet, ich habe das notiert.« Diane legte den Hörer auf.
Einige Minuten später hörte sie, wie Andie ihr Büro betrat, das neben ihrem eigenen lag. Diane stand auf und öffnete die Verbindungstür.
»Andie, Patrice Stanton wird heute wahrscheinlich noch ein paarmal anrufen, um mich zu beschimpfen.«
»Kann man gegen diese Frau denn nichts unternehmen, damit das aufhört?«, fragte Andie.
»Da gibt es schon einen Weg. Ich weiß zwar, dass sie leidet und versucht, irgendwie ihre Wut loszuwerden, aber wir müssen unser Museum schützen und es vor irgendwelchen unbedachten Handlungen von ihrer Seite bewahren.«
»Und was kann ich dabei tun?«
»Chanell wird die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen treffen. Wenn Sie irgendwelche Anrufe von Mrs. Stanton erhalten, lassen Sie sie einfach auflaufen. Legen Sie eine Liste an, in die Sie in Kurzform eintragen, was sie gesagt hat, und benachrichtigen Sie Chanell. Setzen Sie sich bitte auch diskret mit den Leitern der einzelnen Museumsabteilungen in Verbindung. Sagen Sie ihnen, dass sie mich sofort informieren sollen, wenn sie einen solchen Schmähanruf bekommen. Außerdem werde ich unsere Anwälte beauftragen, eine einstweilige Verfügung gegen sie zu erwirken.«
»Okay, wird erledigt.«
Diane besuchte dann Chanell Napier, die Sicherheitschefin des Museums, in ihrem Büro. Sie berichtete ihr von den neuesten Entwicklungen einschließlich der Anrufe, die sie daheim erhalten hatte, und der Beschmutzung des Museumsautos.
»Die Frau tut mir irgendwie sogar leid«, sagte Chanell, »aber sie sollte sich schnell wieder einkriegen. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich alle Telefonanrufe in Ihr Büro aufzeichnen lassen, für den Fall, dass wir rechtliche Schritte unternehmen müssen. Meine Leute brauchen nur eine Stunde, um eine Abhöranlage zu installieren. Da sie schon einmal verhaftet worden ist, kann ich mir ihr Polizeifoto beschaffen und allen meinen Sicherheitsleuten einen Abzug davon geben. Wir sollten sie unbedingt vom Museumsgelände fernhalten, bis diese ganze Sache aufgeklärt ist, meinen Sie nicht?«
»Das hört sich ganz vernünftig an, Chanell. Vielen Dank.«
»Sie brauchen mir nicht zu danken, Dr. Fallon. Sie wissen ja, dass ich Ihren Schutz und den des Museums sehr ernst nehme. Solche unguten Dinge, wie sie in der Vergangenheit hier vorgekommen sind, möchte ich in Zukunft unbedingt verhindern. In diesem Gebäude sollten wir uns alle sicher fühlen können.«
Diane informierte Andie über Chanells Sicherheitsmaßnahmen und kehrte dann in ihr Büro zu ihrer Verwaltungsarbeit und ihren E-Mails zurück – glücklicherweise hatte ihr Patrice bisher keine E-Mails geschickt. Wenn sie Glück hatte, kannte sie sich mit Computern nicht aus. Diane rief das Krankenhaus an, um sich nach Darcy Kincaids Zustand zu erkundigen. Sie wurde mit einer Schwester der entsprechenden Station verbunden, die sie nach dem vereinbarten Familiencodewort fragte, das es ihnen erlaubte, Informationen weiterzugeben.
»Golden«, antwortete Diane, nachdem sie auf dem Notizzettel nachgeschaut hatte, den ihr die Kincaids gegeben hatten.
»Sie ist aus dem Koma aufgewacht und ist jetzt immer mal wieder bei Bewusstsein, um dann wieder wegzudämmern. Ihr Zustand wurde von ›kritisch‹ auf ›ernst‹ heraufgestuft.«
»Vielen Dank«, sagte Diane. Sie öffnete die Verbindungstür zwischen ihren beiden Büros und erzählte es Andie.
»Das ist gut, oder?«, fragte diese nach.
»Ja, das ist ein gutes Zeichen. Ich gehe jetzt in mein anderes Büro«, sagte sie dann. »Wenn es irgendwelche Probleme gibt, rufen Sie mich bitte an.«
Andie, der die ganze Sache anscheinend ziemlich an die Nerven ging, fragte: »Gibt es nicht noch etwas, das wir wegen dieser Mrs. Stanton unternehmen können?«
»Ich kann herausfinden, wer ihren Sohn getötet hat«, antwortete Diane.
Diane verließ ihr Büro im Ostflügel und wählte den weniger einsehbaren Weg durch den Pleistozän- und den Säugetier-Saal zu den Aufzügen neben dem Restauranteingang. Glücklicherweise lief ihr dabei nicht Patrice über den
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