Brandzeichen
könnte, dass vor dem Aufprall ein Gutteil der Bewegungsenergie des Geschosses verlorenging. Auch das könnte auf einen Schalldämpfer hinweisen, obgleich es kein untrüglicher Beweis ist. Allerdings spricht vieles dafür.«
»Und was bedeutet das alles?«, fragte Neva.
»Der Mord an McNair war etwas ganz Persönliches. Der Täter schießt ihn erst einmal ins Knie. Das tut höllisch weh. Dann schießt er ihn in die Brust, danach tritt er ganz dicht an ihn heran, um ihm aus kürzester Distanz einen Kopfschuss zu verpassen.«
»Das klingt für mich ziemlich persönlich«, sagte Jin.
»Er muss auch McNairs gewöhnlichen Tagesablauf gekannt haben«, sagte David. »Er musste McNair schon recht gut kennen oder ihn eine ganze Weile beschattet haben, um über seine Gewohnheiten so gut Bescheid zu wissen.«
Diane stimmte zu. »Das mit Blake Stanton«, fuhr sie dann fort, »war dagegen nicht so persönlich – oder der Schütze kam aus irgendwelchen Gründen nicht so dicht an ihn heran.« Diane zuckte die Achseln. »Oder es war überhaupt ein ganz anderer Täter.«
Sie las noch einmal den Bericht durch. »Hier heißt es, dass McNair wahrscheinlich mit einer Beretta getötet wurde – derselben Art von Waffe wie Stanton. Ich glaube, beide Morde waren Hinrichtungen und wurden wahrscheinlich vom selben Täter begangen.«
»Und was ist mit Joana?«, fragte Neva. »Sie wurde nicht einmal mit einer Schusswaffe getötet. Außerdem könnte ihr Tod auch ein Unfall gewesen sein.«
»Zumindest geschah das Ganze, bevor der Mörder die Information erhielt, die er haben wollte«, sagte Diane. »Aber Sie haben recht, irgendwie unterscheidet er sich von den anderen Morden – obwohl an beiden Tatorten ein ähnlich gekleideter Mann gesichtet wurde.« Diane dachte einen Augenblick nach. »Findet für mich heraus, ob der Typ, der die Leiche gefunden hat, dieser zweite Jogger, dort regelmäßig läuft.«
»Hegen Sie einen Verdacht gegen ihn?«, fragte Jin.
»Es ist eine Eigenschaft aller überzeugten Jogger, dass man die Uhr nach ihnen stellen kann. Der Mörder musste also eigentlich wissen, dass jemand zur fraglichen Zeit auftauchen würde, wenn er den Naturpfad längere Zeit beobachtet hat, bevor er McNair überfiel.«
»Ich verstehe den Zusammenhang nicht«, sagte Jin.
»Vielleicht
wollte
der Mörder gesehen werden. Nehmen wir einen Augenblick an, dass Stanton und McNair von derselben Person getötet wurden. Er scheint ein Profi zu sein, denn er hat nur sehr wenige Spuren hinterlassen. Warum taucht er dann zu einem Zeitpunkt und an einem Ort auf, wo er sicher sein kann, dass ihn höchstwahrscheinlich ein anderer sehen wird?«
»Guter Gedanke«, sagte Neva. »Glauben Sie, er hat sich verkleidet, um wie der andere Verdächtige auszusehen? Das wäre gut möglich. Dessen Beschreibung kam ja in allen Nachrichtensendungen. Außerdem hat die Polizei in der ganzen Gegend nach ihm gefragt. In diesem Fall gibt es vielleicht überhaupt keine Verbindung zwischen Joana Cipriano und Marcus McNair. Dann drehen sich die Ermittler einfach im Kreis, wenn sie versuchen, die Fälle miteinander zu verbinden.«
»All das sind allerdings nur Vermutungen«, sagte Diane. »Aber zumindest sollten wir ihnen weiter nachgehen.«
»Wir müssen jeden Tatort noch einmal ganz neu und unvoreingenommen betrachten«, sagte Jin. »Wir schauen uns noch einmal alle Beweisspuren an und versuchen, aus diesen weitere Erkenntnisse zu gewinnen …«
Während Diane Jin zuhörte, blätterte sie leicht geistesabwesend in Nevas Bericht über die Untersuchung ihres Autos, der bereits seit Tagen auf ihrem Schreibtisch lag. Plötzlich stand sie auf und starrte fassungslos auf eine Seite dieses Berichts.
»Wo sind die Beweisspuren, die Sie aus meinem Auto geholt haben?«, fragte sie Neva aufgeregt.
Jin stoppte mitten im Satz und fragte zurück: »Was meinen Sie?«
»Aus welchem Auto?«, fragte David nach.
»Ihrem eigenen, das der Junge rauben wollte«, sagte Neva, nachdem sie auf den Bericht geschaut hatte, den Diane in der Hand hielt. »Die sind alle im Beweismittelraum.« Sie deutete in Richtung des Kriminallabors.
Diane eilte aus ihrem Büro durch das Osteologielabor zum Kriminallabor hinüber. Dort ging sie schnurstracks zum Beweismittelraum, tippte die Zahlenkombination in sein Digitalschloss ein, öffnete die Tür und betrat den Raum. Die Kiste, nach der sie suchte, stand vorne im Regal. Auf ihrem Etikett stand ihr Name, Marke und Baujahr ihres Wagens und Blake
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