Brandzeichen
genau«, sagte der Anwalt.
»Garrison«, sagte Nora, »Sie brauchen sich da nicht hineinziehen zu lassen. Wir verlangen wirklich zu viel von Ihnen.«
»Hören Sie, meine Liebe, ich bin fast einundsiebzig. Meine Anwaltspraxis macht mir immer noch Spaß, und ich gehe immer noch segeln ... Aber, offen gestanden, ich finde in letzter Zeit das Leben ein wenig langweilig. Diese Geschichte ist genau das, was ich brauche, um mein altes Blut wieder in Wallung zu bringen. Außerdem glaube ich, daß Sie einfach die Verpflichtung haben mitzuhelfen, daß Einstein in Freiheit bleibt; nicht nur aus den Gründen, die Sie erwähnt haben, sondern weil... weil die Menschheit nicht das Recht hat, ihr Genie zur Erschaffung einer anderen intelligenten Gattung zu benützen und diese dann wie Eigentum zu behandeln. Wenn wir so weit gekommen sind, daß wir erschaffen können, wie Gott erschafft, dann müssen wir auch lernen, mit der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit Gottes zu handeln. Und in diesem Fall erfordern Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, daß Einstein frei bleibt.«
Einstein hob den Kopf vom Schoß des Anwalts, blickte ihn bewundernd an und schob dann seine kalte Nase unter Garrisons Kinn. In der drei Wagen Platz bietenden Garage hatte Garrison einen neuen schwarzen Mercedes 560 SEL, einen älteren weißen Mercedes 500 SEL mit hellblauer Polsterung und einen grünen Jeep stehen; den letzteren benützte er hauptsächlich dazu, zum Yachthafen zu fahren, wo sein Boot lag.
»Der weiße hat einmal Francine, meiner Frau, gehört«, sagte der Anwalt, als er sie zu dem Wagen führte.
»Ich benütze ihn nicht mehr oft, aber ich halte ihn gut in Schuß und fahre gelegentlich damit, damit die Reifen nicht leiden. Ich hätte ihn loswerden sollen, als Franny starb. Schließlich war es ihr Wagen. Aber... sie hat es so geliebt, das weiße Glitzerding, und ich erinnere mich genau daran, wie sie aussah, wenn sie hinter dem Steuer saß ... Ich möchte, daß Sie ihn nehmen.«
»Einen Fluchtwagen im Wert von sechzigtausend Dollar?" sagte Travis und strich mit der Hand über die auf Hochglanz polierte Motorhaube.
»Das nennt man stilgerecht abhauen.«
»Niemand wird nach dem Wagen Ausschau halten«, sagte Garrison.
»Selbst wenn man mich schließlich mit Ihnen beiden in Verbindung bringt, werden sie nicht wissen, daß ich Ihnen einen meiner Wagen gegeben habe.«
»Etwas so Teures können wir unmöglich annehmen«, sagte Nora.
»Nennen Sie es eine Leihgabe«, meinte der Anwalt.
»Wenn Sie ihn nicht mehr brauchen, sobald Sie einen anderen Wagen beschafft haben, parken Sie ihn irgendwo - an einem Busterminal, einem Flughafen -und rufen mich an und sagen mir wo er ist. Dann kann ich jemanden hinschicken, um ihn abzuholen.«
Einstein legte die Vorderpfoten auf die Fahrertür des Mercedes und spähte durch die Seitenscheibe in den Wagen. Er sah Travis und Nora an und wuffte, als wollte er sagen, sie müßten verrückt sein, ein solches Angebot auszuschlagen.
Mit travis am steuer verließen sie Garrison Dilworths Haus um viertel nach zehn Uhr nachts auf der Route 101 nach Norden. Um halb eins passierten sie San Luis Obispo und kamen um ein Uhr morgens an Paso Robles vorbei. Um zwei Uhr hielten sie eine Stunde südlich von Salinas an einer Selbstbedienungstankstelle, um zu tanken. Nora kam sich überflüssig vor; nicht einmal am Steuer Konnte sie Travis ablösen, weil sie nicht fahren konnte. In gewissem Maße war das Violet Devons Schuld, nicht Noras; einfach eine weitere Folge des Lebens in Abgeschiedenheit und Unterdrückung. Dennoch fühlte sie sich völlig nutzlos und war mit sich unzufrieden. Aber sie würde nicht den Rest ihres Lebens hilflos bleiben. Verdammt noch mal, das würde sie nicht. Sie würde fahren lernen und den Umgang mit Feuerwaffen. Travis konnte sie beides lehren. Und aufgrund seiner Ausbildung konnte er sie auch in den Kriegskünsten instruieren, in Judo oder Karate. Er war ein guter Lehrer. Die Kunst des Liebens hatte er ihr jedenfalls großartig beigebracht. Beim Gedanken daran mußte sie lächeln, und langsam legte sich ihre selbstkritische Stimmung. In den nächsten zweieinhalb Stunden während der Fahrt nordwärts nach Salinas und weiter nach San Jose fiel Nora gelegentlich in unruhigen Schlaf. Wenn sie nicht schlief, waren ihr die Meilen Asphalt, die sie hinter sich zurückließen, ein Trost. Zu beiden Seiten der Fernstraße schienen endlose Flächen Farmlandcs im frostbleichen Mondlicht zu ihnen herüber
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