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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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vernachlässigte, was er noch nie getan hatte. Kalte Wut auf Yarm erfüllte ihn, aber er brauchte den Jüngling für bereits vereinbarte Vorstellungen, eine Hochzeit, zwei Totenfeiern, das Gastmahl einer Gilde sowie das Große Fest des Frondienstes. Und er mußte auf Hammerfaust Rücksicht nehmen, der dann und wann bei Taguiloa aufkreuzte, beiläufig zu äußern pflegte, wie es die Familie freue, daß Yarm einen so gutmütigen Meister gefunden habe. All das hätte ausgereicht, um einen Mann dazu zu verleiten, daß er in den Tempel stürmte und Tungjii in seinen/ihren alten feisten Arsch trat.
    Taguiloa warf die Stäbchen, und sie bildeten ein Eskimemeloa, die Welle des Wandels, ein Zeichen der Dritten Triade, ein ausgesprochen vorteilhaftes Ergebnis. Zufrieden lächelte er. Vielleicht war das ein Vorzeichen dafür, daß sich sein Schicksal nun günstiger gestalten sollte. Der Apotheker Djeracim gab ein Brummen von sich, klaubte die Stäbe auf und warf sie, stieß ein Aufknurren des Mißfallens aus und leerte seine Weinschale. Nekokaran. Bloß einen Schritt entfernt vom Mahlstrom, vom Nichts. Indem er schon infolge dieser geringfügigen Anstrengung ächzte und schnaufte, sammelte Lagermukaea der Fette die Stäbchen auf, hielt sie für einen Augenblick versonnen in der dicklichen Hand. »Dein Bursche, Taguiloa, hat Pupa böse Sachen über dich geflüstert. Der Schlammwurm hat keine Zeit verloren und ist sofort zum Temuengspitzel gelaufen, um's ihm zu stecken. Du solltest den Lümmel in 'n Sack binden und in die Bucht schmeißen.« Er öffnete die Faust, wirkte regelrecht überrascht, als er die dünnen braunen Stäbchen auf seinem Handteller erblickte. Während er mit der Zunge an den Zähnen schnalzte, warf er die Stäbe, summte ein Bruchstück eines Trauergesangs, als sie in zwei Zeichen zerfielen: Rebhsembulan — Honigwabe — und Minatuatuan, den Allesbelebenden Regen. Er ließ ein Brummen hören. Nicht einmal zusammen waren sie so viel wert wie Eskimemeloa. Im nächsten Augenblick grinste er, schnippte die Kupfermünzen eine nach der anderen Taguiloa zu, der sie auffing und damit jonglierte, sie in der Luft hielt, bis er schließlich eine Münze verfehlte, so daß sie alle herabfielen. Er lachte, knüpfte seine Börse auf und schob die Münzen zusammen mit Djeracims Einsatz hinein, behielt jedoch genug für noch einen Krug Wein zurück.
    »Genau das würde ich gern tun«, sagte Taguiloa. »Ihn sacken. Aber vorher müßte jemand Hammerfaust in 'n Sack stecken und an die Haie verfüttern.« Er legte die restlichen Münzen in eine flache dreieckige Schale. »Gebt mir Nachricht, falls jemand, der nicht zu uns zählt, 'n Lehrling sucht, vielleicht kann ich ihm Yarm abtreten. Oder ihr.« Er bog die Zunge und pfiff nach einem neuen Krug Wein.
    In dichtem Nebel hockte Taguiloa allein auf der Hafenmauer, lauschte dem Klingklang der Bojen, den fernen Rufen von den Woda-Wohnbooten, den tausenderlei anderen Geräuschen des frühen Morgens. Nebelige Tage hatten ihm seit jeher behagt, es gefiel ihm, von allen Seiten die Laute des Lebens zu vernehmen und dabei gänzlich allein in dem kleinen weißen Raum zu sein, den der Nebel rings um ihn schuf.
    Der blonde Knabe kam in diesen Raum und setzte sich neben Taguiloa, ließ die kurzen Beine über die Kante des Hafengemäuers baumeln. Wasser schlug sich auf seiner Haut und in seinem Haar nieder, rann ihm über die Nase und befeuchtete ihm den Kragen der Jacke.
    »Weshalb läufst du mir ständig nach?« Taguiloa sprach in laschem Ton, hegte eigentlich kein Interesse an der Antwort.
    »Aus Neugier.«
    »Um zu erfahren, warum ich vor dem Gartenhaus gelauscht habe?«
    »Deswegen? Ach was! Ich weiß längst, was du dort getan hast und wieso. Ich will mehr über dich wissen.«
    »Wozu?«
    »Meine Gefährtin muß nach Andurya Durat. Ich dachte, du wärst der richtige Mann, um sie hinzubringen.«
    »Ich? Nein!« Taguiloa schwieg kurz. »Sie ist 'ne Hexe. Schlimmer noch, 'ne Fremde. Aber am schlimmsten ist, sie macht Jagd auf Temueng.«
    »So? Du magst wohl Temueng gern?«
    »Ha! Ich lebe gern.«
    »Und Gold?«
    »Ist mir nicht wichtig genug, um dafür in den Tod zu gehen.«
    »Du möchtest doch nach Durat und vor dem Kaiser auftreten. Brann könnte dir das erforderliche Gold verschaffen.«
    »Mein Meister ist weit über achtzig geworden, weil er sein Lebtag ein bescheidener Mann blieb.«
    »Er ist das Wagnis eingegangen, einen Jüngling, der ihn zu berauben trachtete, bei sich aufzunehmen,

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