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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Brombeer-voller-Dornen?«
    »Lieber Freund, und wie steht's mit der Mannschaft? Wen willst du in die Schlangengrube mitnehmen? Spantenratt? Staro den Stummel?«
    »Du solltest lieber fragen, wen ich zum Zurückbleiben überreden kann. Ich werde Jimm mit seiner Keule den Scheitel ziehen müssen, damit er mit der Meermaid wartet.« Er ließ ein Räuspern vernehmen. »Du bist ein Mitglied der Besatzung geworden, Brombeer. Du bist unsere Hexe.«
    Unterdrücktes Schnaufen und Schniefen. Die Hexe weinte. Taguiloa starrte gequält ins Dunkel, sein Pulsschlag sprach zu ihm von Gefahr, es war gefährlich, so dicht in der Nähe einer Hexe zu bleiben, die einen solchen Bann auszuüben verstand. Er schickte sich an, aus dem Schutz der Schatten zu schleichen, hielt inne, als die Tür schlug, Schritte das Treppchen herabdröhnten, die der Schiffsherr gleich darauf verlangsamte. Mit einem Quietschen öffnete er die Pforte zum Garten, einen Augenblick später fiel sie geräuschvoll zu. Noch halb in den Schatten, erhob sich Taguiloa, reckte und räkelte sich, um die Verspannungen und Verkrampfungen des Körpers zu beseitigen. Hinter sich vernahm er leises Raunen, die Stimmen des Mädchens und der Frau. Bewußt mißachtete er sie, strebte vorsichtig in die Richtung der Pforte, blieb dabei im Schatten der Gewächse, bewegte sich mit der lautlosen Geschmeidigkeit eines Jägers, die sich schon so oft vortrefflich bewährt hatte.
    Neben ihm ertönte ein verhaltenes Kichern. Er schaute nach unten. An seiner Seite lief der blonde Knabe. Taguiloa tat so, als gäbe es ihn nicht, schlich weiter bis zur Mauer.
    Der Knabe faßte ihn am Arm. »Warte!« flüsterte das Kind.
    Ein Ruck an Taguiloas Arm, und eine große Ohreule schwang sich empor. Sie flog über die Mauer, kreiste zweimal, kam herabgeschwebt. Feder streiften seine Ärmel, sanft wie eine Seidenpflanze, und mit einemmal stand neben ihm wieder der Knabe. »Niemand da, nicht mal 'n Diener.«
    »Warum?«
    »Weil's spät ist. Bis zum Morgengrauen sind's nur noch zwei Stunden.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Der Knabe grinste ihm zu, tänzelte ein paar Schrittchen rückwärts, drehte sich um und rannte fort in die Dunkelheit. Zunächst wollte Taguiloa ihm hinterdreineilen, dann jedoch sah er davon ab und wandte sich zur Gartenpforte. Während er Tungjii ein stummes Dankgebet widmete, hob er den Riegel und schlüpfte durch die Pforte.
    Aus dem Haus kam der Kula-Priester und begann unablässig mit Gebinden aus Seidenblumen, Gewinden bemalten Papiers und Mengen von in süßlichen Ölen getränkter Pappe den Scheiterhaufen zu umrunden, um das Feuer mit farbenprächtigem Brennstoff und Wohlgerüchen zu verschönern. Er schwenkte Räucherstäbchen, und der leichte Luftzug trug Taguiloa greulich süßen Geruch zu. Lieferten Totenfeiern nicht ein ständiges Einkommen und Gelegenheiten zum Vorführen seiner Kunst, er würde keine einzige solche Veranstaltung besuchen; der Gestank des schmorenden Fleischs, der Anblick von Erd- und Himmelsseele, wie sie — begleitet von dem übelriechenden Hauch, den alle Duftwasser und alles Räucherwerk niemals völlig überdecken konnten — aus dem Sarg quollen, drohten ihm den Magen umzustülpen, verursachten ihm ein Kribbeln des Widerwillens.
    Das Feuer prasselte tüchtig, als der Kula-Priester mit den Räucherstäbchen es das letzte Mal umkreiste. Danach trat er zurück und stimmte einen Gesang an, bannte die Funken innerhalb eines Gespinsts aus Licht, damit sie weder das Haus anbrannten, noch die Geisterzeugen behelligten.
    Taguiloa spürte jemandes unmittelbare Nähe, stutzte. Der blondschopfige Knabe stand neben ihm, beobachtete das Treiben mit belustigtem Interesse. Das Wiedersehen hatte bereits etwas Vertrautes an sich, Taguiloa war danach, dem Buben fröhlich zuzugrinsen, ihm in eben der Weise, wie er es als Kind nie bei sich hatte leiden mögen, das Haupthaar zu zausen. Seine Furcht vor diesem Vielleicht-Dämon, diesem Wandelkind, war dahin; er lächelte dem Jungen zu, schaute wieder dem Lodern des Feuers zu.
    Das Gleißen der Himmelsseele riß sich los, schoß wie eine Sternschnuppe, die nach oben anstatt nach unten fiel, gen Himmel. Die Erdseele, ein krummes kleines Männchen, dem alten Onkel, wie er im Leben ausgesehen hatte, ganz ähnlich, säumte noch beim Scheiterhaufen, als könnte es sich vorerst nicht dazu durchringen, von dem Fleisch, in dem es gehaust hatte, endgültig Abschied zu nehmen. Aber nach einer Weile zuckte es, so konnte man

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