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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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dürftigen Schutz des Brauchtums und der Anerkennung zur Verfügung, um den Kaufleuten und Beamten Sililis (die ihrerseits allzeit den Launen der Temueng unterworfen blieben) Grenzen zu ziehen, die maßgeblich das Dasein aller Menschen beeinflußten, die in der Stadt wohnten.
    Tari schüttelte die Porzellanglöckchen. Das zweifache Läuten war leise, aber trotz der Musik hörbar. Die Mädchen stellten ihr Tanzen ein und verbeugten sich, warteten dann auf Taris Entscheidung; das dralle Mädchen war ein wenig aufgeregt, hatte sich jedoch hinlänglich in der Gewalt, um zu Taguiloa herüberzuschielen, während das magere Kind für nichts und niemand außer Schwarzdorn Augen hatte. »Du hast's gesehen«, sagte Tari zu Taguiloa. »Wie lautet deine Einschätzung?«
    »Die eifrige Dünne.«
    Tari nickte. »Wenn man selbst diesen Ehrgeiz kennt, fällt's leicht, ihn anderen anzumerken. Wäre ich fünf Jahre jünger, würde ich ihr vielleicht die Beine brechen lassen.« Sie wandte sich an die zwei Mädchen. »Deniza«, sagte sie zur Mageren, »such wegen deiner Anstellung meinen Bataj auf. Rasbai, deine Begabungen sind anderer Art, ich bin für dich nicht die geeignete Lehrerin. Darf ich dir den Rat geben, dich an ... mmm ... an Atalai zu wenden?« Ohne Umstände ließ sie sie gehen, achtete auf Rasbais mürrische Miene so wenig wie auf Denizas frohes Lächeln. »Dein Schüler hält auf einmal sein Maul. Was hast du mit der kleinen Schlange angestellt?«
    Taguiloa schaute den beiden Mädchen nach, wie sie mit ihrer schweigsamen Anstandsdame hinausgingen, wartete mit der Antwort, bis sie sich aus der Hörweite entfernt haben mußten; dann erst drehte er den Kopf, betrachtete gelassenen Blicks die Fremde. »Ich?« meinte er. »Ich habe überhaupt nichts getan.«
    Tari öffnete die Augen ein wenig weiter, ihre rechten Zehen stießen ihn in die Beuge des Nackens, kitzelten das Haar hinter seinem rechten Ohr. »Du sprichst mit Schwarzdorn, mein kleiner Schatz. Solltest du das vergessen haben?« Sie stieß ihn mit dem Nagel des großen Zehs an den Kopf. »Wegen Harra? Glaubst du, ich würde fragen, wenn ich ihr nicht vertraue? Fischhirn!«
    Taguiloa drehte sich um, packte Taris Fußknöchel, strich mit den Fingerspitzen sachte über die mit Henna gefärbte Fußsohle. »Sogar ein Fischhirn kennt Schwarzdorn.« Er ließ sie den Fuß zurückziehen. »Es ist die Wahrheit. Ich habe ihm nichts getan. Vielmehr schwelgt er in dem Wunsch, daß mir in aller Kürze die Knochen zerschlagen werden.«
    »Was?«
    »Hammerfaust und 'ne Handvoll seiner Räuber werden mich bald am Schlafittchen packen.«
    »In Anbetracht solcher Aussichten bist du aber recht gut gelaunt.«
    »Weil ich unter einem Schutz stehe, von dem Hammerfaust und Yarm nichts ahnen. Sobald die Woche endet, jage ich Yarm fort, ich gehe auf Reise, sobald ich meine Sachen beisammen habe. Ich habe 'ne Art von Gönner gefunden, der mich mit Geld fördert und mir den erwähnten Schutz gewährt.«
    »Du wirst sie endlich zeigen? Die neuen Tänze?«
    »Hm-hm. Ich brauche 'nen Flötenspieler.« Sein Blick schweifte düster über die Matten. »Morgen trete ich bei einer Totenfeier auf, das wird für 'ne Weile mein letzter Auftritt sein. Und übermorgen schicke ich Yarm seiner Wege. Wird nicht unbedingt erfreulich werden.«
    »Ich habe dir gesagt, daß er nichts taugt.«
    »Das hast du, aber ich habe damals nicht auf dich gehört.«
    »Nicht aus Taubheit, sondern aus Dummheit.«
    Taguiloa griff sich einen ihrer Zehen und kniff schwach hinein. »Einen Flötenspieler.«
    Tari schnappte nach Luft, schwieg einige Augenblicke lang. Mit geschlossenen Lidern lehnte sie sich zurück. Taguiloa beobachtete sie verdrossen, doch ehe er etwas sagen konnte, öffnete sie den Mund. »Ladjinatuai.«
    Mühelos erhob sich der greise Flötist, durchquerte die offene luftige Räumlichkeit, sank nahe beim Kopfende des Diwans auf die Knie. »Saör?« äußerte er geruhsam. Die Flöte hielt er locker vor den Oberschenkeln.
    »Du hast einen Schüler, einen Enkel deiner Schwester glaube ich. Du kennst ihn, und du kennst Taga. Was meinst du?« Sie schlug die Augen auf. »Es ist ein Wagnis, und die Hügelwölfe werden dreist.« Tari blickte Taguiloa an, kaum merklich ruckten ihre Mundwinkel aufwärts. »Gerüchte besagen, wenn die Jamara-Fürsten und die Jamaraks erst einmal in Bedrängnis geraten, wird's ein Tanz mit dem Tod werden.« Ein zierliches Heben der zarten Brauen, langsam und gleichmäßig: eine stumme Frage

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