Brann 01 - Seelentrinkerin
hergekommen?«
»Aus Zufall, Neugierde ... Wer weiß? Ich kam mit meinem Vater.«
»Deinem Vater?«
»Er ist tot.« Die Frau schlug auf der Lautengitarre ein paar Mißklänge. »Er krankte an einer Erweiterung der körperlichen Gefäße, von der niemand etwas ahnte.«
»Welchem Volk gehörst du an?«
»Du wirst es nicht kennen.« Harra zuckte die Achseln. »Was sollte es, es zu nennen?« Während sie mit der Hand sanft über die Saiten strich, entlockte sie dem Instrument gedämpfte Summtöne und schaute an Taguiloa vorbei. »Ich weile fernab meiner heimatlichen Berge, Tänzer. Der Wind hat mich hergeweht und hier zurückgelassen. Es wird der Tag anbrechen, an dem ein anderer Wind mich erfaßt und weiterweht. Rukkanag, so heißt mein Volk. Du siehst, der Name besagt dir nichts, und wieso sollte er's?« Sie sprach mit starkem fremdländischen Zungenschlag, der indessen keineswegs störte, zumal sie eine honigsüße Stimme besaß. Sie machte beim Reden beinahe ein Lied aus ihren Worten, verwendete die Fingerkuppen, um die Saiten zu unterschwelligem Schrummen zu bringen. Unvermittelt nahm sie die Hände vom Instrument und lachte. »Schlichter gesprochen, Saö Taguiloa, als meinen Vater der Tod ereilte, hatte Saöri Schwarzdorn mit mir Erbarmen und überließ mir in ihrem Hause Wohnraum, bis ich die Art von Tätigkeit finde, die ich ausüben möchte.« Sie ergriff den Zupfkiel und spielte eine Melodie, die wie eine Frage klang. »Und ich habe sie gefunden, o Mann, der du mit dem Leib Musik machst? Habe ich's?«
»Tanzt du?«
»Die Tänze meines Volkes. Jedoch nicht so vortrefflich, wie Schwarzdorn ihre Tänze tanzt.«
»Zeig's mir!« Taguiloa verließ die Matte, machte Harra Platz, setzte sich wieder zu Taris Füßen.
Harra Hazhani musterte ihn ernst, schätzte ihn ein, dann legte sie ihr Instrument beiseite und erhob sich anmutig. Sie trug schwarze Lederstiefel mit hohen Absätzen und einen langen, hellblauen, aus vielerlei Stoffen genähten Rock, der ihre Fußknöchel umwogte, eine Spanne oberhalb des Saums verlief ein Band mit einfach gestalteten bunten Stickereien; eine langärmelige weiße Bluse sowie eine kurze, enge, vorn geschnürte Weste, deren Schnitt offenbar den Zweck hatte, die Körpermitte schmal und den Busen um so üppiger aussehen zu lassen. An den Handgelenken und am Hals verschlossen zu säuberlichen Schleifen geknüpfte Zuschnüre die Bluse. Harra langte in eine Tasche des Rocks und holte eine Anzahl dünner Goldreifen hervor, die sie sich über die Handgelenke streifte, so daß sie klirrten, als sie mit den Händen einen stark betonten Takt zu klatschen anfing. Unter fortgesetztem Klatschen begann sie zu pfeifen, eine Weise pfiff sie, deren wilder Schmiß in Taguiloas Ohren so wüst klang, wie die Muster und Stickereien von Harras Kleidung für ihn aussahen. Sie pfiff gerade so lange, daß Ladjinatuai, obwohl die Tonart zu seiner Flöte nicht paßte, die Melodie aufgreifen konnte.
Harra warf den Kopf rückwärts, bog die Arme so zurück, daß ihre Hände sich fast berührten, schüttelte sich, so daß die Reifen an den Handgelenken klingelten — leicht außerhalb des Takts —, dann verfiel sie in ein vielfaches Umwirbeln der eigenen Achse, ihre Füße durchtänzelten eine ungemein schwierige Schrittfolge. Ihr Tanz verlieh Stolz, Leidenschaft und Lebensfreude Ausdruck — wenigstens hatte Taguiloa von dem, was er sah, diesen Eindruck — , bis sie urplötzlich stillstand, einen Fuß nach vorn geschoben, das andere Bein ein wenig gebeugt, eine gerade, gestreckte, auch durch die Umhüllung ihres Rocks sichtbare Schräghaltung einnahm, den Kopf zurücklegte, die Hände erhoben, als gedächte sie den Mond zu umarmen.
Sie löste die Haltung auf, lächelte Taguiloa zu und kehrte zu ihrem Sitzkissen zurück, ließ sich mit anmutiger Beschwingtheit neben ihrem Instrument nieder.
»Wie heißt dieses Ding?« Taguiloa deutete auf das Instrument.
»Daroud. Es ist gewissermaßen eine entfernte Verwandte der Laute.«
»Du tanzt recht gut.«
»Danke.«
»Jedoch spielst du das Instrument erheblich besser.«
»Ich weiß.«
»Auch bist du bescheiden und sittsam.«
»Geradeso wie du.«
»Was tätest du, begänne ein Mann dich zu befummeln?« »Das hängt von den Umständen ab. Wär's ein Beamter, ein Gönner oder irgendein Flegel in einer Herberge, in der wir übernachten?«
»Machen wir den Anfang mit dem Flegel.«
Harra neigte den Kopf zur Seite, zog eine böse Miene und stemmte die Fäuste in
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