Brann 01 - Seelentrinkerin
an Taguiloa. »Du bist niemand, der solchen Gefahren gewachsen wäre, mein kleiner Schatz.«
»Es sind die Hügelwölfe, die sich hüten müssen.« Taguiloa zögerte, überlegte sich, was er sagen, wieviel er verraten sollte. Immerhin hatte er es mit Schwarzdorn zu tun, die ihn besser durchschaute, als er selbst über sich Bescheid wußte. »Meine Gönnerin ist eine gütige Hexe mit einem Gefolge von Dämonen.« Er kehrte sich der Fremden zu. »Das ist nicht zum Weitererzählen bestimmt.«
Die Fremde nickte, aber schwieg.
Der Alte meldete sich zu Wort. »Taguiloa, wann möchtest du mit Linjijan sprechen? Und wo?«
Schwarzdorn stieß nochmals mit dem Zeh gegen Taguiloas Kopf. »Wär's dir recht, hier mit ihm zu reden?«
»Da du's schon anbietest, ja.« Sachte rieb er den Kopf an ihrem Fuß. »Heute nachmittag? Ich muß mich an die Vorbereitungen machen.«
»Ladji?«
Der Alte schaute an Tari vorbei die Wand an. »Linjijan ist heute morgen mit seinen Brüdern aufs Meer gefahren. Zum Fischen. Er wird erst wiederkehren, wenn die Sonne sinkt. Aber dann wird er Schlaf brauchen.« Er richtete die trüben bernsteingelben Augen auf Schwarzdorn und lächelte, so daß die Falten und Hutzeln sich übers ganze Gesicht ausbreiteten. »Dir dagegen, Saör, ist der Nachmittag die liebste Tageszeit.«
»Wie wahr, mein alter Schatz.« Tari stieß ein kehliges Glucksen aus, ihre Art des Lachens. »Taga, tanz für mich! Ich habe mir ein wenig Zerstreuung verdient, findest du nicht?«
Taguiloa wandte den Kopf und küßte ihr den glatten Rist, ehe er aufsprang. Er schüttelte die Sandalen von den Füßen, betrat barfuß die aus Stroh geflochtenen Matten, fuhr sich mit den Händen über die Seiten, hob die Brauen, während er Ladjinatuai ansah, schnippte mit den Fingern, suchte nach dem Takt, der seiner gegenwärtigen Stimmung, dem jetzigen Gefühl seines Körpers entsprach. Über die Schulter schaute er die Fremde an. »Spiel für mich«, bat er, »gemeinsam mit Ladjinatuai, wenn du magst.«
Ladjinatuai setzte die Flöte an die Lippen, begann zum wechselhaften Schnippen von Taguiloas Fingern aus dem Stegreif zu spielen.
Ein paar Herzschläge später gurrte ein leises Lachen, und die lebhaften, verwickelten, metallischen Töne des Saiteninstruments klangen auf, übernahmen den Takt, umwoben ihn mit allein von der Eingebung des Augenblicks bestimmten Klanggespinsten, erzeugten eine Musik, wie er sie nie zuvor vernommen hatte.
Für ein Weilchen noch ließ er diese Musik auf sich wirken.
Als er bereit war, vollführte er den anfänglichen Anlauf, während er immer schneller wurde, er die Kraft der Muskeln in den Knochen und im Blut sammelte, ihn mit einem doppelten Purzelbaum abschloß; er kam aufrecht zum Stehen, wechselte die Richtung, ohne an Schwung zu verlieren, sank bodenwärts, kreiselte auf den Schultern, streckte dabei langsam den Körper, bis seine Gestalt einem zur Decke erhobenen Speer glich, dann löste er die Haltung, gleichzeitig unterbrach die Musik, doch sofort schrillte ein langgezogener Triller der Flöte, die Fremde entlockte dem Lauteninstrument Folgen heller Töne, Taguiloa spannte den Leib, dehnte die Glieder, zog sich aufs äußerste zusammen, er wirbelte, schwenkte mal dahin, mal dorthin, er richtete sich vornehmlich nach den künstlerischen Gepflogenheiten der Tänzerinnen, der männlichen Schauspieler und Gaukler, wandelte sie jedoch nach seinen Vorstellungen ab; er spürte jede Bewegung, jede Mühsal und jeden Schmerz, aber zur gleichen Zeit hatte er das Empfinden des Fliegens, er schien auf den Lauten der Instrumente zu schweben.
Bis ein winziges Zittern, eine ganz geringe Abweichung, ihn aus dem Takt brachte; die Musik hallte weiter durch die Räumlichkeit, aber er vermochte sich nicht mehr auf sie einzustellen. Mit einem gekeuchten Gelächter sackte er auf die Knie, kauerte sich auf die Fersen, klatschte die Hände auf die Schenkel, atmete schwer, Schweiß rann ihm übers Gesicht, in Augen und Mund. Er hörte Schwarzdorns gegluckstes Lachen, ihr Händeklatschen, doch nur wie von fern; in diesen Augenblicken waren ihm die Musik wichtiger, die weitererklang, die Fremde und der alte Flötist wichtiger, die ihre Art von Zauber wirkten, bis sie einen Abschluß fanden, der ihn krönte, und wieder Schweigen herrschte.
Auf den Knien drehte sich Taguiloa der Frau zu. »Wer bist du?«
»Mein Name lautet Harra Hazhani.«
»Stammst du aus dem Westen?«
»Aus weiter Ferne, Tänzer.«
»Warum bist du
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