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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sagte Tari, »Taga hat erwähnt, daß du für die Landleute in Vergangenheit und Zukunft zu schauen pflegst. Er behauptet, du seist eine wirkliche Hexe.« Sie täuschte Beachtung für die restlichen Anwesenden nicht einmal noch vor. »Tu's nun für mich!« Ihr Blick schweifte umher, ohne daß sie etwas gesehen hätte. »Was brauchst du: Gada-Stäbchen? Feuer und Muscheln? Einen Kristall? Eine Schüssel voll Wasser? Sag mir, was erforderlich ist, und ich lasse es bringen.«
    Brann durchquerte den Raum und kniete vor dem Diwan nieder, die fleckige Jagdhündin folgte ihr mit lautloser wilder Anmut. »Es genügt, wenn du mir deine Hand reichst,
    Saöri Schwarzdorn.« Tari streckte die Hand aus, Brann nahm sie. »Yaril«, sagte Brann, »diesmal wollen wir's richtig machen.«
    Die Hündin verflüchtigte sich zu goldgelbem Schimmern, das in die Höhe stieg, es schwebte kurz über Schwarzdorn, sank auf sie nieder und verschmolz mit ihr. Taguiloa entsann sich daran, wie er zum erstenmal ein solches Leuchten gesehen hatte, fragte sich, ob er einschreiten sollte. Er musterte Branns angespannte Miene und hielt den Mund. Das Geschimmer kam wieder aus Tari zum Vorschein, verfestigte sich zu einem kleinen blonden Mädchen. Es stellte sich neben Brann, flüsterte ihr für ein Weilchen etwas ins Ohr, dann entschwand es hinter den Diwan und außer Sicht.
    Brann schauderte zusammen, verlor plötzlich die Fassung, aber nur für die Dauer eines Atemzugs. Nacheinander spiegelte ihr Mienenspiel Schmerz und Furcht, Mitleid und Zorn wider. Sie saß ganz still, als wäre sie versteinert, und dann schien sie wieder eine Maske zu tragen. Sie öffnete die Augen, strich mit einem Zeigefinger über Taris Handteller.
    »Nicht einmal die Götter wissen, was das Morgen bringt«, sagte Brann mit ruhiger Stimme. »Ihre Mutmaßungen mögen den künftigen Tatsachen näher als eines Sterblichen Vermutungen kommen, jedoch nur, weil sie bereits mehr Zeit dazu gehabt haben, um den Kreislauf der Jahreszeiten und die Torheiten der Menschen zu betrachten. Wenn ich das Schicksal von Männern und Frauen zu erkennen trachte, so sage ich ihnen Dinge, die ihnen Freude machen, wähle meine Worte dergestalt, daß sie sie auf nachgerade alles beziehen können, was sich ereignet. Sie wollen betrogen werden und nehmen mir dadurch den größten Teil der Mühe ab.« Ihre Stimme klang leise, sie sprach in besänftigendem Ton. »Unsere Yongala erklärte mir in aller Heiterkeit, daß Menschen an ihren Träumen festhalten, selbst wenn ihr Verstand ihnen sagt, welche
    Narren sie seien. Tari Schwarzdorn, Tänzerin auf Feuer, wünschst du diese Art von Weissagung, oder willst du die allseits so gefürchtete Wahrheit vernehmen?«
    Tari zitterte, schloß die Augen. »Was weißt du?«
    »Soll ich hier freimütig sprechen?«
    »Das sind meine Freunde. Ich hätte dich nicht gefragt, erwartete ich von dir keine offene Antwort.«
    Brann schaute die Hand an, die sie noch immer hielt, legte sie auf den schwarzen Samtbezug des Diwans. Taguiloa, der sie beobachtete — seine Neugier plagte ihn wie Hunger —, sah ihr an, wie sie sich innerlich sammelte; sein Magen schien sich, wie er so ihrer Antworten harrte, zu einem kalten Knoten zusammengezogen zu haben. »Folgendes weiß ich«, sagte Brann, es kostete sie sichtlich Willenskraft, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »An manchen Tagen verursachte jeder Schritt dir Mühsal und Pein. Bisweilen schwellen dir Fußknöchel und Knie an; in ihnen pocht schier unerträglicher Schmerz. Wenn du tanzt, vergißt du ihn, aber ist der Tanz vorüber, leidest du um so grausamer. Du befürchtest ein Ende deiner Fähigkeit zu tanzen. Vor sechs Monaten hast du die Beschwerden in Mohnsaft zu ertränken versucht, inzwischen bist du seine Sklavin geworden, diese Art der Sklaverei flößt dir Entsetzen ein, doch du vermagst ihr nicht zu entfliehen.« Sie wandte sich von Taris verzerrter Miene ab, blickte über die Schulter Taguiloa an. Trotz ihrer Anstrengungen, die sie unternahm, um Ruhe zu bewahren, zitterten ihre Gesichtszüge; sie schloß die Lider, rang um Beherrschung, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme ausdruckslos, leblos. »Saöm, ich werde dies in den Dörfern nicht für dich tun, es zöge zu starke Aufmerksamkeit auf mich. Und ich bezweifle, daß ich...« Sie drehte sich um, rutschte auf den Knien zum Fußende des Diwans. »Yaril, Jaril, kommt zu mir, ich brauche euch!«
    Aus den Schatten näherte sich ihr der blonde Knabe, legte ihr eine

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