Brann 01 - Seelentrinkerin
war das Ergebnis vollständig gleichgültig, sie/er erübrigte dafür nur Aufmerksamkeit, um sehen, was der Zufall ergab.
Das Gold klirrte ins Boot, die schweren runden Münzen türmten sich vor Raskataks bloßen Füßen, eine von ihnen prallte vom großen Zeh ab, brach den Knochen. Er stierte die Münzen an, die klobigen knochigen Hände verhielten am Segeltuch. Gleich darauf ließ er vom Segel ab, besah sich mißgestimmt den rot geschwollenen Zeh. Er hob den Fuß, legte ihn sich schwerfällig aufs Knie. Unbeholfen betastete er den Zeh mit den Fingern, brummte auf, als er den Schmerz spürte. Während er nach wie vor nicht aufs Gold achtete, kramte er in seiner Bordkiste, holte ein flaches Stückchen Bein heraus, brach ein wenig davon ab, band es mit dem Fetzchen eines Lappens und einer Länge Angelschnur an den Zeh.
Mit der gleichen schwerfälligen Sorgsamkeit setzte er den Fuß wieder auf die Planken. Jetzt erst klaubte er eine der Münzen auf und betrachtete sie, prüfte sie mit den Zähnen. Er saß da und beglotzte sie, als wüßte er nicht, was er in der Hand hielt. Während er sich der stets gleichen, umständlichen, bedächtigen Weise des Bewegens befleißigte, nahm er jede einzelne Münze in die Hand, prüfte jede mit den Zähnen, packte alle in seine Bordkiste. Das getan, blickte er endlich in die Höhe, forschte am Himmel nach dem Ursprung des Goldregens. Was er sah, war das Gluten der Mittagssonne, ihre leuchtende Pracht. Er räusperte sich und spie über das Dollbord, dann machte er sich von neuem ans Flicken des Segels. Gold oder kein Gold, ohne taugliches Segel konnte er nicht heimkehren.
Er beendete das Nähen und hißte das Segel, aber noch blieb der Wind aus. Das Segeltuch hing schlaff herab, keine Brise wehte, die es nur gegen den Mast gedrückt hätte. Raskatak saß geruhsam im Boot und wartete, die Augen halb geschlossen, befaßte sich in Gedanken damit, was er mit dem Gold anstellen könnte.
Wie um zu beweisen, daß Wunder nie einzeln auftreten, geriet ein Schwarm Fische vor die Haken seiner Angelschnüre, und in den nächsten zwei Stunden hatte er vollauf damit zu tun, die Schnüre einzuholen und erneut auszuwerfen, bis in seinem Boot Massen silberner Fischleiber zappelten und glänzten, und im selben Augenblick, als der Schwarm entschwand, kam frischer Wind auf, wehte das abgetriebene kleine Boot heim nach Selt. Zum erstenmal seit Jahren gelangte Raskatak früher als alle anderen Fischer nach Hause und erzielte für seine schönen dicken Fische Höchstpreise. Danach ging er nach Hause, in das winzige Hüttchen, das er auf einem Fleckchen von einem Verwandten gepachteten Land aus Treibholz und altem Segeltuch erbaut hatte. Immer wieder zählte er die Münzen, sogar im Dunkeln, wenn seine Tranlampe erloschen war. Und er zählte die Silber- und Kupfermünzen, die ihm der heutige Fang eingebracht hatte, die Einnahmen waren zehnmal höher als gewöhnlich. Weil er befürchtete, das Gold könnte auf genauso absonderliche Weise verschwinden, wie es aufgetaucht war, und er sich zudem sorgte, die Diebe, die überall in seiner Nachbarschaft hausten, könnten davon Wind kriegen und es ihm stehlen — dabei ließ er völlig außer acht, daß kein halbwegs gescheiter Dieb je den Einfall hätte, sein elendiges, nach Fisch stinkendes Hüttlein nur eines Blickes zu würdigen —, versteckte er das Gold unter der Aufhäufung von Planken und Tauen, die ihm als Bettstatt diente; danach hockte er fast die ganze Nacht lang bei einem Krug billigen Weins, versuchte die Pein im Zeh zu mißachten, während er von großartigen Gelagen, erstklassigen Tänzerinnen und prunkvollen Seidengewändern sowie davon träumte, daß seine Verwandten sich unterwürfig vor ihm verbeugten, ihn um Rat ansprachen und um Gunsterweise baten, die er huldvoll und vornehm gewährte oder ausschlug.
Am Morgen wusch er seinen Zeh, verkleisterte ihn mit Spinnweben und Hühnermist und umwickelte ihn mit einem neuen Lappen. Ohne lange zu zaudern, einfach aus eingefleischter Gewohnheit, stand er im ersten Morgengrauen auf, kleidete sich an, humpelte hinab ans Meer und fuhr, geradeso wie alle Tage, zum Fischen aus. Und auch an diesem Tag hatte er großes Glück. Als übten seine Haken auf die Fische eine wahrhaft unwiderstehliche Anziehungskraft auf, so bissen sie an; und wieder füllte er sein Boot so rasch, daß er als erster Fischer heimsegeln und auf dem Markt den besten Preis einstreichen konnte.
Wie es nun einmal die Art der Dummköpfe
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