Brann 01 - Seelentrinkerin
Hand auf die linke Schulter; die Hand sank durch die schwarze Seide bis in Branns Fleisch. Das blonde Mädchen kam hinterm Diwan hervor, stellte sich an Branns rechte Schulter, auch Yarils Hand versank durch die schwarze Seide von Branns Gewand ins Fleisch. Brann streckte einen Arm aus, schob etliche Lagen feinster Seide beiseite, umfaßte mit ihrer Hand Schwarzdorns Fußknöchel.
Jetzt sah Taguiloa, was er bisher stets übersehen hatte. Der Fußknöchel war ein wenig zu dick, geschwollen und steif. Voller Furcht und Beunruhigung schaute Tari zu, wie Brann mit den Fingern über die Schwellung strich. »Das Leiden steht erst am Anfang«, sagte Brann, räusperte sich, holte Atem, ehe sie ihre Erklärungen fortsetzte. »Duldeten wir, daß es schlimmer wird, wärst du heute in fünf Jahren zum Gehen außerstande.« Sie zeigte ein breites Görengrinsen voll Vergnügen und Mutwillen. »Doch es wird sich, Slya sei Dank, o Tänzerin, nicht verschlimmern.« Während sie die Augen schloß, umfing sie den Fußknöchel mit beiden Händen.
Taris weitete ruckartig die Augen. »Wärme«, raunte sie.
Brann schwieg, es schien, als hörte sie nichts. Nach einer kurzen Weile ließ sie den Fuß auf den Samt sinken und ergriff den anderen Fußknöchel.
Höchst erstaunt schaute Taguiloa zu, seine Besorgnis und die heftige Furcht, die die Äußerungen der Hexe bei ihm hervorgerufen hatten, verebbten und verflogen schließlich, während die langen kräftigen Hände des Weibs von den Füßen zu den Knien hinaufglitten — Brann sparte sich nun den Aufwand, die Seidenlagen des Kleids beiseite zu schieben —, von den Knien hinauf zu den Hüften rutschten, dann die Handgelenke nahmen, die Ellbogen und Schultern. Während sie verhalten vor sich hinsummte, bewegte Brann die Hände von Taris Scheitel über den Körper hinab zu den mit Henna gefärbten Sohlen der lieblichen Füße, und die Kinder vollzogen die Bewegungen mit ihr, an den Händen,
Fleisch mit Fleisch, mit ihr verschmolzen. Zu guter Letzt hockte sich Brann auf die Fersen und stieß einen Seufzer aus.
Die Kinder traten zurück, entfernten ihre kleinen zierlichen Hände aus Fleisch und Seide. Yarils Erscheinung verflimmerte, lag im nächsten Augenblick wieder als gefleckte Hündin neben Brann. Jaril kam zu Taguiloa und kauerte sich an seine Seite.
Taris Gesicht rötete sich, dann wurde sie blaß. Sie setzte sich auf, bewegte erst den einen, dann den anderen Fuß, anschließend die Handgelenke, sie beugte das Knie des einen Beins, streckte es, beugte und streckte auch das andere Bein. Ihre Hände bebten. Die Atmung ging schnell und abgehackt. Sie öffnete den Mund, schloß ihn, vermochte nicht zu sprechen, sie schloß ihre Lider, preßte die Hände auf die Rippen, schöpfte tief Atem, ließ ihn entweichen. »Und der Mohnsaft?«
»Auch davon bist du befreit.«
»Auf der ganzen Welt gibt's nicht genug Gold, um ...«
Brann hob die Schultern. »Ach, Gold!« Sie erhob sich, reckte sich, gähnte. »So was werde ich den Bauern nicht vorführen, o nein, o nein, ich werde ihnen erzählen, was sie hören möchten, gerade genug Possen treiben, um ihnen ein bißchen Ehrfurcht einzutrichtern.« Sie grinste. »Und jeden Hügelwolf, der so dumm ist, uns anzugreifen, werde ich zu Tode erschrecken.«
Taguiloa ließ den Blick durch den Raum schweifen. Harra musterte Brann mit einem Ausdruck lebhaften Interesses, die vollen Lippen gespitzt wie zum Pfeifen, doch pfiff sie nicht. Ladjinatuai streichelte seine alte Flöte mit Daumen und Zeigefinger, er lächelte vor sich hin, als hätte sich nichts Besonderes ereignet, aber aus insgeheimer Erleichterung war seine Körperhaltung matt geworden. Anscheinend war er der einzige Anwesende, der von Taris wachsenden Beschwerden gewußt hatte. Linjijan schaute verträumt ins
Nichts, tappte mit den Fingerkuppen auf den Schenkeln herum, als übe er Griffe, Tonfolgen einer Musik, die er ausschließlich in seinem Kopf hörte.
Jaril berührte Taguiloas Arm. Taguiloa blickte abwärts. »Was gibt's?«
»Du wolltest doch einen Knaben, der die Trommel schlägt.«
»Du möchtest dich bewerben?«
Jaril schüttelte den Kopf. »So etwas wäre mir zu langweilig. Aber ich habe 'nen Jungen ausfindig gemacht. Er muß doch kein Hina sein?«
Erneut wanderte Taguiloas Blick durch den Raum. Da saß die Tochter eines Magiers, gekommen aus einem dermaßen fernen Land, daß Taguiloa den Namen ihres Volkes noch nie vernommen hatte. Wenigstens Linjijan war Hina. Da war Brann
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