Brann 01 - Seelentrinkerin
klar«, erwiderte Jaril. »Er ist zäh und schlau, er wird jeden umbringen, der ihn stehlen will, und obendrein ist er schnell.« Er hob die Hand, zog an Taguiloas Ärmel. »Komm! Sobald der Züchter merkt, daß wir ihn unbedingt haben wollen, wird er's darauf anlegen, den Preis in die Höhe zu treiben. Er erwartete, für das Fohlen bloß genug zu erhalten, um die Kosten fürs Futter decken zu können, er denkt sich, ein temuengischer Einkäufer könnte ihn womöglich als Fraß für die Tiger mitnehmen. Du darfst nichts glauben, was er dir über die Abstammung des Braunen weiszumachen versucht.
Die Stute war längst zu alt fürs Gebären, sie befand sich schon auf dem Weg zum Schlächter, da riß sie zur unrechten Zeit aus und wurde von einem entlaufenen Menschentöter besprungen, den man aufspüren und töten mußte, man brauchte fast sechs Monate, um ihn zur Strecke zu bringen. Vom Tag des Fohlens an ist das Füllen mißhandelt worden, selbst wenn es friedlich sein wollte, hat man's nicht gelassen. Biet dem Züchter drei Silbermünzen und laß ihn auf 'n halbes Goldstück hinaufhandeln. Benimm dich, als wärst du völlig unwissend, Züchter wie er haben solche Kunden am liebsten. Er zieht den Käufern das Fell über die Ohren und die Zähne, ehe sie's merken. Sag ihm bloß, du willst das Fohlen kaufen und biet eine Silbermünze, dann laß ihn zetern, soviel's ihm behagt, danach wiederhol das Angebot.« Jaril schenkte Taguiloa einen bedrohlichen Blick, grinste anschließend pfiffig, bevor er sich entfernte, seine kleinen, mit Sandalen bekleideten Füße wirbelten neue Staubwolken auf.
Ebenso verdrossen wie belustigt schloß Taguiloa sich ihm an, er wußte, daß Jaril sich nun für die Male rächte, die er das Wandelkind umhergescheucht hatte. Heute hatte Jaril die Gestalt eines zarten Hinaknaben mit rundgeschnittenem schwarzen Haar und goldbrauner Haut, ununterscheidbar von tausend oder mehr Gassenjungen, die kein Zuhause hatten und Sililis Straßen unsicher machten, ausgenommen in bezug auf die Augen; er trug eine verstaubte Hose aus Baumwolle und eine Wickelbluse, die den hageren Oberkörper weit und locker umhüllte und im schwächsten Wind flatterte. Er bog um einen Heuhaufen und verharrte vor drei Männern, die um ein Feuerchen hockten und aus großen Bechern pechschwarzen Tee tranken. Er wartete auf Taguiloa, wies dann mit einem Nicken auf einen sehnig-drahtigen Mann mit einem Fuchsgesicht und einem hartfetten Schmerbäuchlein, das den abgeschabten Stoff seines Hemds beträchtlich spannte.
Taguiloa tat zu ihm. »Saöm«, erkundigte er sich, »gehört euch das allein eingepferchte gelbbraune Fohlen dort hinten?«
»In der Tat habe ich einen herrlichen gelbbraunen Jährling, Saöm. Fürwahr ein Fohlen, dessen beiderseitige Abstammung auf die unsterblich ruhmvolle Stute Kashantuea und ihren wunderbaren Hengst Mondspringer zurückverfolgt werden kann. Doch leider, Saöm, leben wir in schweren Zeiten, und so mancher Mann ist dazu gezwungen, sich von der Freude seines Herzens zu trennen.«
»Ah, das ist die Abkunft? So hat man denn des Menschentöters Herkunft festzustellen vermocht?«
Der Züchter schnitt eine flüchtige Fratze des Miß- und Unmuts, setzte dann eine Miene der Bewunderung auf. »Daß jemand von den südlichen Inseln solche Kenntnisse hat! So komm denn, o Wissender, laß uns diesen jüngsten Sproß einer so edlen Abstammung, die unvergleichliche Rassigkeit dieser Perle unter den Rössern in Augenschein nehmen! Eine unermeßlich kostbare Perle ist's, wie ein Mann von deiner Weisheit auf den ersten Blick sehen muß.«
»Ich verstehe nichts von Pferdefleisch«, antwortete Taguiloa, indem er Jarils Rat befolgte. »Dein Brauner soll mir 'n Silberstück wert sein.«
»Ein Silberstück?« Das Gesicht des Züchters lief rot an, die Augen quollen ihm aus den Höhlen. »Ein Silberstück für solche Geschwindheit und Ausdauer? Ihr treibt gewiß auf meine Kosten Scherz, haha! Zwanzig Goldmünzen.«
»Die Rassigkeit ist mir aufgefallen. Er gab sich alle Mühe, das Brett vor seiner Nase zu beknabbern. Kein Zweifel würde er, geradeso wie sein Erzeuger, lieber über Menschen herfallen. Zwei Silbermünzen, wenngleich ich darin bereits eine närrische Großzügigkeit erblicke.«
»Niemals! Und müßte ich, müßten meine Kinder hungern, und fiele mir das Haus überm Kopf zusammen! Fünfzehn Goldmünzen.«
»Dein Haus knabbert er auch an? Bedenk doch, was du an Instandhaltung einsparst, wenn du ihn
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