Brann 01 - Seelentrinkerin
nachfolgenden Tagen flogen Jaril und Yaril regelmäßig dorthin, um den Braunen abzurichten und ihn vom Jährling in einen hageren, kräftigen, dreijährigen Hengst zu verwandeln. Zur gleichen Zeit plante Taguiloa die Vorführungen und probte sie mit seiner Truppe.
Sie zogen von Silili zu Fuß los, Taguiloa, Brann, Harra, Negomas, Linjijan sowie Jaril als Hinaknabe und Yaril als fleckige Jagdhündin. Taguiloa und Linjijan zogen einen Kippwagen, auf dem sie ihre Besitztümer, die Kostüme, die Lagerausstattung, Essensvorräte und vielerlei andere nützliche Gegenstände beförderten. Brann und Harra schlangen sich Gurte um die Schultern und halfen beim Ziehen des schwerfälligen Karrens. Jaril und Negomas liefen voraus, die beiden Knaben tauschten aufgeregt ihre Gedanken über die Erlebnisse aus, die sie sich versprachen, erörterten ihre Unwissenheit und ihre freudigen Erwartungen. Yaril streifte umher, die Nase an der Erde, kostete die Gerüche der Morgenfrühe aus. Noch ehe die Sonne ganz aufgegangen war, ließen sie die letzten Hütten des Armenviertels hinter sich, durchquerten das Brachland vor der Stadt, verfluchten die alten Furchen früherer Wagenspuren und überall hinderlichen, morschen Wurzel Strünke, wechselten danach über auf eine Landstraße, auf der das Vorankommen etwas leichterfiel. Auf dem Gras und auf niedrigen Büschen glitzerte Tau, der Morgen war kühl und hell, der Geruch feuchter Erde und nassen weichen Grases war beinahe stark genug, um den scharfen Mief von Kuhmist und Hundekot zu überlagern. Sie zogen den Karren durch lange, von Frische durchdrungene Schatten von Obstbäumen sowie Nuß- und Gewürzsträuchern und gelegentlich einer Zeder oder Küstenkiefer. Alle Bäume und Sträucher, die Früchte trugen, waren schwer von reifem Obst, Nüssen oder gewürzhaltigen Samenkapseln. Als die Wärme der Sonne zunahm und der Tau verdunstete, lockte sie auch den starken, meist süßlichen Duft von Früchten und Gewürzen, die harzigen Ausdünstungen der Zedern hervor. Bienen und Wespen summten einher, fraßen die frischen Pfirsiche und Aprikosen, Nektarinen und Äpfel, Kirschen und Birnen ab. Die Luft war erfüllt von ihrem Gesurr, von Vogelsang, dem Säuseln in Nadeln und Blättern; und dem Quietschen, Ächzen und Knarren des Karrens, während er in Furchen und wieder hinaus schlingerte. Diese anstrengende Art des Reisens war eines der nicht so kleinen Ärgernisse in einer von den Temueng beherrschten Welt. Hätten sie die gepflasterte Kaiserliche Straße benutzen können, wäre nur die Hälfte an Mühsal und Zeit aufzuwenden gewesen, um die Dammstraße zwischen Selt und Utar zu erreichen, aber von Langeweile geplagte temuengische Wächter drangsalierten selbst die wohlhabendsten hinaischen Händler, die jene Straße befuhren; was sie mit einer Truppe Musikanten und Künstler anstellen mochten, wagte man sich lieber gar nicht erst auszumalen.
Fünf Stunden nach dem Verlassen von Taguiloas Haus gelangten sie auf einen Feldweg, der in die Richtung der felsigen Kliffs führte, wo zwischen Gräsern und Kräutern ein paar dünne hochbeinige Schweine in der Erde wühlten, sicheren Fußes am Rande der Tiefe, der mürben schroffen Steilwände entlangtrotteten. Jaril beobachtete sie vorsichtshalber, schaute zu seiner Schwester hinauf, die über ihnen kreiste, längst Flügel den Hundebeinen vorzog, schnitt ihr eine Fratze, schimmerte und nahm die Gestalt eines großen wilden Jagdhundes an, kehrte so zurück zu den Erwachsenen, die sich abmühten und schwitzten; diese mageren bösartigen Schweine waren die einzigen Haustiere auf der Insel, die keine Arbeiten verrichten mußten, und bisweilen hatten sie üblere Launen als verkaterte temuengische Steuereintreiber.
Vor ihnen ließen sich die Türme der Dammstraße erkennen, eine Hürde, die es zu überwinden galt, wie unfreundlich oder boshaft die Wächter auch sein mochten; nur dort bekamen sie die Siegel, die sie brauchten, um das Temuengreich zu durchqueren, in jedem Dorf, ja jedem Temueng, der sie anhielt und dazu aufforderte, vorzuzeigen hatten. Taguiloa verfügte bereits über eine Reiseerlaubnis für seine Truppe, aber die Siegel der Straßenwacht waren wichtiger fürs Durchkommen. Die Wachtürme bedeuteten, daß sie noch mehr Schmiergelder austeilen und trotzdem alles erdulden mußten, was den Wächtern einfiel, um sie zu schikanieren. Diese Temueng waren der Abschaum ihres Heers, sie blieben in den unterworfenen Ländern, während die besseren
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