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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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angefangen von Einwohnern der Stadt über Bauern und Fischer aus dem Umland bis hin zum Jamar und seinem Gefolge. Die ärmsten Zuschauer hockten in Trauben, dicht an dicht, auf den Pflastersteinen des Innenhofs, die Händler und ihre Familien saßen auf dem Balkon im dritten Stockwerk zusammengedrängt, und die Ehrenplätze mitten auf dem Balkon des zweiten Stockwerks gebührten dem Jamar und seiner Familie; die seitlichen Abschnitte dieses Balkons nahmen Würdenträger sowie die Jamarak-Temueng ein. Der Kastenwagen stand an der Hausseite des Innenhofs, seine Bretterwände waren abgenommen und auf dicken Stützpfosten zu einer ebenen Bühne von der dreifachen Fläche der Breite des Fahrzeugs zusammengesetzt worden. Die Bühnenfläche und ihre Seiten waren mit mehreren Schichten Korkplatten verkleidet, gesteppt eingenäht in Stoffbahnen, so daß sie nicht verrutschten, und damit gut gepolstert. Der unterste Balkon — im ersten Obergeschoß des Gebäudes — war für Zuschauer gesperrt, weil man ihn für die Vorstellung brauchte; eine Leiter verband diesen Balkon und den Fahrzeugboden miteinander, so daß für die Vorführung zwei Ebenen zur Verfügung standen.
    Die Zuschauerschaft erwies sich als freundlich und gutmütig. Am Torbogen, durch den man in den Innenhof Zugang hatte, nahmen Brann und Harra den Leuten das Eintrittsgeld ab, die Herbergsknechte geleiteten die Gäste, die Plätze auf den Balkonen erhielten, zu den Treppen und jagten Gassenjungen fort, die sich ohne Entrichtung des Eintrittsgelds einzuschleichen versuchten. Auf dem Balkon des zweiten Stockwerks stand der Wirt und sah sich all das Leben und Treiben mit stillem Vergnügen an, denn er bekam, weil er Taguiloa die Benutzung des Innenhofs erlaubte, einen bestimmten Anteil der Einnahmen. Gegenwärtig wohnten im Gasthof wenig Leute, für den restlichen Monat mußte man mit noch weniger Übernachtungen rechnen, deshalb war es keine Schwierigkeit, die Künstler im Haus aufzunehmen, alles Umstände, die Taguiloa bei seinen Überlegungen, als er die Vorstellungsreise plante, miteinbezogen hatte; er war mit Gerontai weit genug herumgekommen, um zu wissen, wie hoch man die Gunst eines Gastwirts schätzen mußte.
    Das Stimmengewirr im Hof schwoll zu einem Höhepunkt seiner Lautstärke an, sank dann ziemlich plötzlich zu gedämpftem Raunen herab, als die Trommeln zu dröhnen begannen, wilde fremdartige Klänge wummerten, wie diese Menschen sie noch nie vernommen hatten, die Trommeln schollen in einer Weise, die ein wenig ängstigte, aber ihr Schlagen ging unmerklich ins Blut, bis die Leute im gleichen Takt atmeten. Auf dem Balkon im ersten Obergeschoß schaute Taguiloa hinüber zu Brann. »Fertig?« fragte er sie im Flüsterton. Sie nickte. Taguiloa senkte eine Hand auf Negomas' Schulter. Der Knabe hob den Blick, lächelte und wechselte den Takt des Trommeins, verlieh dem Dröhnen der Trommelfelle einen eintönigen Hall; daraufhin fiel Linjijan mit seiner Flöte ein, ergänzte das Tönen um vertrautere Laute, so daß Bestandteile m'darjinischer und hinaischer Musik auf eine Art miteinander verschmolzen, die den Besuchern das Zuhören angenehmer machte. Dann fügte die Daroud ihre metallischen Klangfolgen hinzu, und die Menge betrug sich immer leiser, sie spürte, daß nun etwas bevorstand. Taguiloa sprang aufs Geländer des Balkons, verharrte darauf mit gespreizten Beinen, hochaufgerichtet und die Arme auf der Brust verschränkt, der sanfte Lichtschein der Lampions schimmerte auf der prächtigen, in Gold und Silber gehaltenen Plattstickerei seines üppig verzierten Gewandes.
    »Bewohner Hamardans!« Hinter ihm verebbte das Getrommel zu leisem Wirbeln; Flöte und Daroud verstummten. »In den westlichen Landen jenseits des Randes der Welt tanzen Jungfern mit Feuer, um ihrem König zu gefallen und ihre seltsamen, eifersüchtigen Götter zu besänftigen. Ohne die ungeheuerlichen Kosten und Anstrengungen zu scheuen, bringe ich euch das FEUER ...« Er winkte, und über die Bühne schwebten blau-karmin-rotgoldgelbe Flammen (Y aril und Jaril zeigten sich in solcher Gestalt). »... und die JUNGFER.«
    Ein weites weißes Seidenkleid umwallte Brann, als sie sich übers Geländer schwang, in sorgfältig vorausgeplantem Sprung die Leiter halb hinabrutschte, halb fiel, Hände und Füße benutzte, um in der richtigen Haltung nach unten zu gelangen. Einen Augenblick danach stand sie zwischen den Flammen, die Arme über den Kopf erhoben, während sie den Körper hin- und

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