Brann 01 - Seelentrinkerin
anderen Jamara, und man wird deinen Sohn verleumden, verursache uns irgendeinen Schaden, und dein Sohn wird Schaden erleiden, vernimm meine Worte, Tjena Hamardan-Jamika, du wirst dich ihrer nicht entsinnen, aber sie werden in deiner Seele sein. Jede Ungunst, die du uns erweist, wird in gleicher Art über deinen Sohn kommen. Nun höre meinen Segensspruch, Tjena Hamardan-Jamika, schaue die vorteilhafte Seite der Münze des Wandels. Was du dem Diener und der Dienerin, die deiner Macht unterstehen, an Wohltaten gewährst, seien es Hina, Temueng oder andere Menschen, wird an dir und deinem Sohn wohltätig vergolten werden, Lobpreisung wird ihm Tage und Nächte verschönern wie ein wundervoller Wohlgeruch. Gutes wird dir in dem Verhältnis zuteil werden, wie du Gutes tust, deine Seele wird Frieden finden, dein Leben wird dich befriedigen, in den Nächten wirst du köstlichen Schlummer genießen, an den Tagen mit dem Dasein im Einklang leben. Höre meine Worte, Tjena Hamardan-Jamika, vergiß sie, obwohl sie in deiner Seele gegenwärtig bleiben, vergiß meine Worte, aber finde in deinem Leben Erfüllung, vergiß meine Worte.« Sie legte die Hände der Jamika auf dem Tisch ab, hörte hinter sich ein verhaltenes, unaufdringliches Pfeifen verklingen; sie begriff, daß Harra die Einflüsterungen mit einem ihrer Pfeifzauber verstärkt hatte. »Nun schlaf, Tjena Hamardan-Jamika. Schlaf nun und erwache zum Mittagstee, um dich fortan dem Guten zu widmen. Streck dich auf dem Diwan aus und schlaf. Erwache zur Mittagsstunde. Dann wirst du wissen, was du zu tun hast. Schlaf, schlaf, schlaf ...«
Mit Harras Hilfe bettete Brann die massige Frau auf den Diwan, glättete ihre Gewandung und faltete die großen, aber durchaus wohlgeformten Hände unterhalb des Busens, machte alles so zurecht, daß die Jamika beim Aufwachen möglichst wenig von dem unangenehmen Gefühl merken würde, das man verspürte, wenn man in den Kleidern geschlafen hatte, brachte ihre Haartracht in Ordnung. Kurz betrachtete Brann die Schlafende mit gefurchter Stirn, dann ließ sie ein bestimmtes Maß an Lebenskraft in sie zurückfließen, ging so sachte vor, daß sie den Schlummer nicht störte; anschließend schritt sie vom Diwan zur Tür des Wohnraums. Im kleineren Nebenzimmer hielten sich mehrere Dienerinnen auf, schwatzten im Flüsterton, beschäftigt mit Sticken und dem Ausbessern von Kleidung, in ständiger Bereitschaft für den Fall, daß sie gerufen werden sollten. Brann winkte die Altdienerin herein, deutete auf die im Schlaf ausgestreckte Gestalt der Jamika. »Eure Herrin wird bis zum Mittagstee schlummern. Sie hat in der Nacht schlecht geschlafen und war sehr verdrossen.« Die Altdienerin, eine ältere Hina, die sich durch die matte Unterwürfigkeit vieler Jahre des Geplagtseins auszeichnete, verpreßte den Mund zu einem dünnen Strich; sie wußte nur zu gut, was Verdrossenheit der Jamika ihr und den anderen Bediensteten verhieß. Brann lächelte sie an. »Wenn sie schläft, ohne gestört zu werden, wird die Jamika in weit besserer Laune erwachen, und ihr werdet für eine Weile ein leichteres Leben haben, wenigstens bis zum nächsten Mondwechsel.«
Die Altdienerin nickte, verstand sehr wohl, was Brann nicht aussprach. »Wenn's so ist, Saör, dann lohn's dir Godalaus Segen«, antwortete sie halblaut, entfernte sich rasch aus Branns Nähe; obwohl sie große Achtung vor den Kräften der Fremden hatte, war sie ihr doch unheimlich.
Brann, Harra und die Yaril-Hündin begaben sich in ihre Zimmer, um zu packen, nachdem sie alles unternommen hatten, um ihren guten Leumund zu wahren und sich für den nächsten Morgen eine reibungslose Abreise zu gewährleisten.
Früh am folgenden Morgen rumpelte ihr Kastenwagen von neuem los, zurück ließen sie das Haus, einen vorzüglichen Eindruck bei den hinaischen Bediensteten und ein zwar verwirrtes, aber zufriedenes Temueng-Paar. Linjijan, der in der Enge der Mauern ruhelos und trübselig geworden war, freute sich ungemein, wieder Freiheit von Leib und Seele genießen zu dürfen: die langen mageren Beine aufs Schutzbrett gestützt, den Kopf auf sein zusammengerolltes Bettzeug gelegt, spielte er die Flöte, trillerte überschäumend fröhliche Töne, verleitete damit die Pferde zum Übermut, die sich in ihrem üppigen Stall gleichfalls zu langweilen begonnen hatten und nun Laune verspürten, die überschüssigen Körperkräfte mit Ausbrüchen von Wildheit und wüstem Verhalten auszutoben. Branns Brauner scheute beim Anblick
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