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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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hatten, hangelte sich ein kleiner Affe mit buschigem grauen Fell von einem Baum und flitzte zu dem Tisch. Er hopste hinauf und suchte sich einen Weg durch die Speisen, hob den Deckel der Teekanne und schüttete aus einem Tütchen etwas hinein. Das Äffchen lugte in die Kanne, sah graue Kräuterschnipsel auf der dampfend-heißen Flüssigkeit schwimmen, kreisen, dann durchfeuchtet werden und sinken; es setzte den Deckel wieder auf die Kanne und huschte davon, verschwand in die Büsche, gerade als der Hamardan-Jamar angestampft kam, zum Himmel hinaufspähte, zum Tisch stapfte, die Ärmel seines Gewands aufkrempelte, sich den Becher mit Tee füllte und das Getränk in den Rachen goß. Der kleine graue Affe grinste wie ein Raubtier, verwandelte sich in eine lange Schlange und kroch durch ein Loch in der Mauer hinaus.
    Jaril schlüpfte in die Räumlichkeit, wo Harra stumm eine Hintergrundmusik klimperte, während Brann mit der Jamika über deren Kinder plauderte, mehr zuhörte als selber sprach. Er hockte sich zu Harra. »Er trinkt's«, flüsterte er ihr zu.
    Harra nickte. Sie begann die Melodie zu vereinfachen, bis ihre Finger nur noch träge über die Saiten strichen; dann schloß sie die Lider und fing leise zu pfeifen an, und die Pfeiftöne umwoben gleichsam das bedächtige Geklampfe, das die Finger auf den Saiten erzeugten. Mit einem Ausdruck äußerster geistiger Aufmerksamkeit auf dem Gesicht führte sie den Zauber durch, der dem Jamar galt; die magischen Kräfte, die sie dabei freisetzte, verursachten Jaril ein Kribbeln, seine Umrisse verschwammen leicht und flimmerten, Schwingungen durchliefen die Stofflichkeit seiner Gestalt, hatten eine ähnliche Wirkung wie ein starkes Rauschmittel. Eine kalte Nase stieß ihm gegen die Hand. Yaril war als Hündin herübergekommen, schmiegte sich an ihn, zitterte ein wenig, ihre Umrisse schimmerten, auch durch sie wallten die magischen Schwingungen. Wie solche Erlebnisse sich langfristig auswirken mochten, darin war sie ebenso unsicher wie Jaril, doch fürs erste genoß sie das Gefühl: sie war um einiges lebensfreudiger eingestellt als ihr Bruder, zeichnete sich durch die Neigung aus, die Annehmlichkeiten des Augenblicks auszukosten, während er dazu neigte, sich über alles tiefschürfende Gedanken zu machen, in jeder Sache das Was-wird-sein und Was-wenn abzuwägen.
    Harras Pfeifen verklang. »Es ist getan«, raunte sie. »Kehr zu ihm zurück und flüstere ihm ein, was du für angebracht hältst.«
    Jaril erhob sich und ging hinaus.
    Brann drehte den Kopf und schaute ihm nach, überhörte ein Wort der Jamika. Als die Jamika sie mit quengeliger Stimme rügte, wandte sie sich langsam wieder ihr zu, musterte die Temueng, indem sie mit kerzengeradem Rücken dasaß, wortlos abwartete, bis Tjena nichts mehr einfiel. »Bist du fertig?« fragte sie dann in eisigem Hochmut, der die Frau einschüchterte, senkte den Blick auf die eigenen Handflächen. »Wir befinden uns an einem Zeitpunkt der Veränderungen«, sagte sie, sprach jedes Wort gemächlich aus, als ließe sie überreife Pflaumen auf die Tischplatte fallen und sähe zu, wie sie platzten. Als sie sich selbst hörte, verlegte sie sich darauf, etwas weniger dick aufzutragen, rief sich in Erinnerung, daß die Frau zwar beleibt war, aber nicht völlig blöde. »Kräfte fließen aufeinander zu«, sagte sie, »schaffen seltsame Verknüpfungen. Es ist eine Zeit, in der sich umsichtiges Handeln empfiehlt. Jede Tat wird Auswirkungen weit über ihren eigentlichen Zweck hinaus haben. Eine Zeit naht, in der jene, welche dir verbunden sind, diese Wirkungen zu spüren bekommen. Reich mir die Hände!« Sie nahm die großen Pratzen der Jamika zwischen die Hände, bog den Kopf rückwärts, schloß die Augen. »Der Wandel hat bereits eingesetzt«, sagte sie. »Des Geschickes Fäden sind um und um gesponnen, feine Fäden um einen jeden von uns, überall, überall, die Bande sind geknüpft, von Sohn zu Mutter, Mutter zu Sohn. Was die Mutter jenen in ihrem Umkreis antut, das wird dem Sohn angetan werden.« Während sie diesen Unsinn mit sanfter, eindringlicher Stimme daherredete, zapfte sie die Lebenskraft der Temueng an, saugte ihr — ganz behutsam — so viel ab, daß sie in einen Zustand tiefen Dösens geriet und allen Einflüsterungen zugänglich wurde. »Alles was du anderen zufügst«, flüsterte Brann ganz, ganz leise, »wird dir zugefügt werden, halte uns hier fest, und dein Sohn wird eingesperrt, sende nachteilige Kunde über uns zu

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