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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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des eigenen Schattens, trat aus, wollte sich gar aufbäumen, verursachte seiner Reiterin ein paar schwierige Augenblicke, bis es ihr gelang, ihn wieder zu bezähmen. Als das Haus außer Sicht war, ließ sie ihn eine Zeitlang galoppieren, beschränkte ihn danach jedoch auf einen leichten Handgalopp, damit er sich nicht verausgabte und zudem ihre Kräfte abnutzte.
    Harra lachte, gestattete ihrem Grauen einiges Umhergetänzel, ehe sie ihn beruhigte und das Tönen der Flöte sowie das dunkle Dröhnen, das Negomas seiner kleinsten Trommel entlockte, um das Klimpern ihrer Daroud bereicherte.
    Gegen Mittag trafen sie in Hamardan ein, hielten vor dem Gasthof, um eine herzhafte Mahlzeit mit heißem Tee einzunehmen; der Wirt drängte sie, am Abend noch einmal aufzutreten, aber Taguiloa, der Zeit aufholen wollte, schüttelte den Kopf, versprach allerdings, erneut im Gasthof einzukehren, wenn sich die Truppe auf dem Heimweg nach Silili befand.

Während der nächsten vier Wochen, in denen sie auf der Straße am Fluß nach Norden zogen, saß Tungjii ganz zweifelsfrei auf Taguiloas Schulter. Das Wetter eignete sich bestens zum Reisen und für Auftritte im Freien. In Dörfern ohne Herbergen traten sie auf den Marktplätzen vor begeisterten Menschenmengen auf und verbrachten mehr als einmal mehrere Nächte im Haus eines Jamar, doch ergaben sich keine neuen Verwicklungen, sie konnten weiterziehen, sobald es ihnen beliebte. Ihr Ruf eilte ihnen voraus; es hatte den Anschein, als ob jedes Dorf, jede Stadt des Festlands schon auf sie warteten, die Leute umwimmelten in Massen ihren Wagen in städtischen Straßen und Dorfstraßen, folgten ihm, wenn sie hindurchfuhren, riesige Menschenmengen und bejubelten sie. Die verborgenen Schatzkästen im Boden des Wagens füllten sich mit schweren Münzen, die Aufnahme und der Anklang, die die Truppe bei Temueng gleichermaßen wie bei Hina fand, blieb so günstig wie das prächtige Wetter. Mochte es daran liegen, daß die Zeit jetzt reif war, daß der lange Sommer ein starkes Verlangen nach Zerstreuung in den Menschen angestaut hatte oder ob der hohe Anteil von Temueng unter den Zuschauern den Grund abgab, was immer der Anlaß sein mochte, die Truppe stieß mit der fremdartigen, bisweilen anspruchsvollen Musik sowie den vielfach von Eingebungen des Augenblicks bestimmten, ganz von althergekommenen Formen abgewichenen tänzerischen und artistischen Darbietungen, die Taguiloa vorführte, kaum auf die Ablehnung, die er eigentlich in viel stärkerem Maß erwartet hatte. Er begann Sorgen zu empfinden. Sie verkörperten ein verführerisches Angriffsziel für die Ular-drah, die Hügelwölfe, deren Gebiet sie durchqueren mußten, eine kleine Schar Künstler, die eine außerordentlich erfolgreiche Rundreise machte und die Kasse voller Geld hatte, allein unterwegs, ohne bewaffnetes Geleit, zwei Weiber, zwei Kinder, zum Schutz nur eine Hündin, die eine Räuberbande schwerlich abschreckte. Taguiloa hätte darauf bauen können, daß ihm Tungjii auch weiter zur Seite stand, aber er kannte genau die Launenhaftigkeit seines Patrons und wußte um die Vergänglichkeit einer solchen Glückssträhne, wie sie sie gegenwärtig an diesen goldenen, lichten Sonnentagen, in diesen lauen, trockenen Silbernächten durchlebten.
    Sie verließen die Stadt Kamanarcha früh an einem hellen, frischen Morgen. Auf der Erde glitzerte eine Andeutung von Frost in den langen schrägen Strahlen der ersten Helligkeit. Der Wächter am Stadttor hatte sichtlich steife Gliedmaßen und gähnte, schlief noch mehr als bloß halb, während er die Winde drehte, um das Tor zu öffnen. Taguiloa warf ihm eine kleine Silbermünze zu, erhielt zur Antwort einen lauten Segenswunsch, dem sich die von Herzen geäußerte Bitte anschloß, doch bald wiederzukehren. »Hütet euch vor den Ular-drah, Schausteller, es heißt, sie machen die Gegend unsicher!« rief der Wächter ihnen zum Abschied nach.
    Auf dem Dach des Wagens grinste Negomas und schlug trotzig die Trommel. Linjijan hatte sich im Halbschlaf ausgestreckt, gab sich Träumen hin, über die er nie sprach. Von allen Mitgliedern der Truppe hatte er sich während der Vorstellungsreise am wenigsten verändert, er war ein verträglicher Reisebegleiter, der tat, worum man ihn bat, ohne Mühe zu scheuen oder zu murren, aber nichts, das er nicht tun sollte. Weder war er eine Belastung noch eine großartige Hilfe; die anderen hatten sich anfangs des öfteren über ihn geärgert, bis sie der Reihe nach lernten,

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