Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
suchte die Reisegenehmigungen und -bescheinigungen sowie die dazugehörigen Metallmarken heraus, die er für die Mitglieder seiner Truppe aufbewahrte, außer für Brann. Einen Augenblick lang stand er da und betrachtete sie, dann warf er sie aufs Bett, schleuderte die Sandalen von den Füßen, kleidete sich aus. Während er sich rasch im Zimmer hin- und herbewegte, wusch er sich, bürstete sein langes schwarzes Haar, glättete es, band es mit einem dünnen schwarzen Seidenband im Genick zusammen, knüpfte überm Knoten säuberlich eine kleine Schleife. Flugs zog er eine Hose und das Gewand aus schwarzer Baumwolle an, dazu die kurzen schwarzen Stiefel, die Kleidungsstücke, die er anlegte, wenn er Eindruck von Bescheidenheit zu erwecken beabsichtigte. Als er fertig war, besah er sich sorgsam seine Erscheinung, strich ein Haar vom Ärmel, zupfte die Vorderseite des Übergewands glatt. Sein Aussehen war gediegen, aber nicht auffällig. Er lächelte vor sich hin, nahm die Papiere und Marken, verließ den Raum und strebte durch den Korridor zu Harras Zimmer.
    Sie ließ ihn ein, widmete sich wieder dem Rock, an dem sie Stickereien anbrachte, sie widmete sich der Handarbeit, um sich zu beruhigen und die Zeit zu vertreiben. Taguiloa sah sich im Zimmer um. Außer Harra war niemand da. »Hast du Brann gesehen?«
    »Sie ist heute morgen ziemlich früh mit den Wandelkindern weggegangen. Sie war wegen irgend etwas aufgeregt.« Harra verengte die Lider. »Das ist deine Besuch-beim-Bonzen-Kleidung.«
    »Des Kaisers Linke hat 'nen Sklaven geschickt, um mich zu holen.« Ihm zuckte ein Auge, er verschränkte, keineswegs so ruhig, wie er gern gewirkt hätte, die Hände auf dem Rücken. »Ich lasse ihn 'n Weilchen schmoren.«
    »Lieber nicht zu lang. Aber du brauchst mich nicht, um solche Angelegenheiten beurteilen zu können. Meinst du, 's könnte mit Brann zusammenhängen?«
    »Keine Ahnung. Jassi sagt, er hat nach mir gefragt.«
    »Aha. Das verheißt entweder sehr gute Neuigkeiten, und wir sind auf dem Wege zum Kaiserlichen Hof, oder sehr schlechte Neuigkeiten, und des Kaisers Linke Hand wird dir Fragen stellen, die du ungern beantworten würdest.« Harra schwieg kurz. »Letzteres kommt mir allerdings unwahrscheinlich vor. Hätte er die Absicht, unangenehme Fragen an dich zu richten, er hätte 'n Empush mit seinen Männern geschickt, um dich holen zu lassen, keinen Sklaven.«
    »Du hast recht. Hier! Bewahr diese Sachen auf.« Taguiloa überreichte ihr die Unterlagen und Marken der Truppe, behielt nur die eigenen Papiere und seine Marke zurück. »Für alle Fälle.« Er lächelte schief, vollführte eine Gebärde mit der Hand. »Vornehmlich für den Fall, daß des Kaisers Linke Hand arglistiger oder verrückter ist, als wir's uns gegenwärtig vorstellen können. Du müßtest Negomas und Linjijan nach Silili zurückbringen.«
    »Und Brann?«
    »Falls ich nicht wiederkehre, ist's für dich am günstigsten, so großen Abstand wie nur möglich von ihr zu halten. Du weißt, weshalb sie hier ist.« Er wischte mit dem Daumen über seine Metallmarke, schob sie sich in den Ärmel. »So, nun haben wir genug Zeit totgeschlagen. Ich gehe hinunter.«
    »Bewahr die Ruhe, Tänzer!«
    »Ich werd's versuchen, Magiertochter. Ich will's versuchen.«
    Taguiloa folgte dem schweigsamen Sklaven durchs Westtor auf die marmorgepflasterte breite Prunkstraße am See, erinnerte sich in Gedanken an jenes vergangene Jahr, da er und Gerontai schon einmal hier gewesen waren. Damals hatten sie lediglich zu den unteren Rängen der Temueng vordringen können, den Kaufleuten, Beamten und kleineren Bonzen, während die wirklich Mächtigen sie unbeachtet gelassen hatten, und sie waren nach Silili heimgekehrt, ohne einen Fuß in den Kaiserpalast gesetzt zu haben. Meslar Maratullik, genannt des Kaisers Linke Hand, war Vorgesetzter der Zensoren und Spitzel, trug die Verantwortung für die Sicherheit der Person des Kaisers. Hoffnung und Furcht, Hoffnung und Furcht, sie wechselten bei ihm wie rechter Fuß, linker Fuß, deren Schritte auf dem körnigen Marmor quarrten, während er dem wortkargen, hämischen Sklaven folgte, die Prunkstraße am See entlangschritt, an deren einer Seite Mauern standen, recht hohe, glatte, weiße Mauern mit nur wenigen Lücken, bloß ein paar Gassen zwischen den einzelnen Meslaks und die wuchtigen Tore unterbrachen sie; die Uferseite war mit niedrigen Sträuchern und in Abständen auch mit Bäumen bepflanzt, kurze Molen ragten hinaus in den See, an

Weitere Kostenlose Bücher