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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sich so verhielt, befand er sich in einer doppelt heiklen Lage. Oft genug hatte er erlebt, was geschah, wenn in einer Hinafamilie jemand mit Woda-an- Eigenschaften zur Welt kam, wie so ein Mensch sich mit äußerster Strenge zum Hina erzog, alles ablehnte, was die Hinakultur verwässern könnte, wie er offen ebenso wie verborgen jeden Woda-an peinigte, der das Pech hatte, in seine Gewalt zu geraten. Und häufig stiegen gerade derartige Männer in hohe Ämter auf, in denen sie, so wie des Kaisers Linke Hand, große Macht über das Leben anderer Menschen ausübten, besonders jenen, die sie so heftig haßten. Womöglich konnte Taguiloa an diesem Mann scheitern, ohne zu merken oder je zu erfahren, was er eigentlich falsch gemacht hatte. Vorsicht, laß Vorsicht walten! ermahnte er sich. Ich darf nicht in meiner Wachsamkeit erlahmen, bis ich wieder draußen bin, und vielleicht auch dann noch nicht.
    Maratullik begrüßte Taguiloa mit einem abgehackten knappen Nicken, ging zum Springbrunnen, setzte sich daneben in einen Weidenstuhl, verbrachte einige Augenblicke nur damit, sich die schwere Seide seines Gewands glattzustreichen.
    Anschließend hob er den Kopf — die dunklen Augen ähnelten in Mattheit und Stumpfheit der Seide —, winkte Taguiloa heran, hielt ihn mit erhobener Handfläche auf, sobald er ihn als nahe genug erachtete. Taguiloa verbeugte sich ein zweites Mal, wartete stumm, ließ den Blick gesenkt. Ein Spiel, das war es und nicht mehr, allerdings ein Spiel mit höchstem Einsatz. Er mußte beweglich genug sein, um sich diesen Temueng günstig zu stimmen, der Gerüchten zufolge ein Ungeheuer sein sollte, aber nicht so unterwürfig, daß er seine Selbstachtung verlor, mußte den schmalen Pfad zwischen Selbstaufgabe und Verderben beschreiten. Die Hände auf dem Rücken, um seine Angespanntheit zu verhehlen, wartete er ab.
    Maratullik schwieg lange, versuchte möglicherweise die Art der Ehrerbietung Taguiloas zu durchschauen, jedoch war es wahrscheinlicher, daß er einfach daran Spaß hatte, ihn ein bißchen schmoren zu sehen. »Wir haben über dich Vorteilhaftes vernommen, Hina.« Das Ungeheuer hatte eine helle schwächliche Stimme.
    »Das ehrt mich, Saö-jura Meslar«, antwortete Taguiloa leise. Er spürte, wie ihm unter den Armen Schweiß das Gewand näßte; mit aller Willenskraft bemühte er sich um Fassung, sagte sich, daß des Kaisers Linke Hand solche Anzeichen von Unruhe als natürlich voraussetzte, im Gegenteil ihr Fehlen ihn argwöhnisch machen müßte. Ein beiderseitiges Schweigen schloß sich an, zog sich dahin.
    Taguiloas Kopf fing weh zu tun an. Es war unmöglich, jemandem wie diesem Temueng etwas ähnliches wie Achtung abzuringen, aber wenn er sich als Kriecher zeigte, würde er den Mann nur dazu verleiten, auf ihm herumzutrampeln.
    »Deiner Truppe gehören Fremde an.«
    »Ja, Saö-jura Meslar.« Taguiloa hatte den Blick gerade weit genug gehoben, um Maratulliks Hände anschielen zu können. Bei dem Wort Fremde hatten die Finger gezuckt, als wollten sie sich krümmen, sich nur langsam, nahezu widerwillig, wieder gelockert. Bei Taguiloas höflicher, aber nichtssagender Entgegnung verkrampften die Finger sich zu Klauen. Taguiloa schwitzte noch stärker. In diesem Spiel mochte sich ein Sichergehen als nicht sicher genug erweisen. Sollte er seine Bestätigung um eine Erklärung ergänzen, oder würde er dadurch den Temueng um so mehr verdrießen? Nach einem kurzen Weilchen angestrengten, zermürbenden Nachdenkens beschloß er, auf die nächste Frage zu warten und zu sehen, wie die Antwort auf Maratulliks Hände wirkte, und hoffte, daß der Meslar sich nicht dessen bewußt sei, wie deutlich seine schmalen zierlichen Finger seine Empfindungen preisgaben.
    »Wieso?«
    Taguiloa wechselte das Standbein, ließ sich seine Unruhe etwas stärker anmerken, verlegte sich mit seiner Stimme auf eine schwerfällige, eintönige Sprechweise. »Aus drei Gründen, Saö-jura Meslar.« Er sprach leise und langsam, wählte die Worte bedächtig, während seine Augen hin- und herhuschten, weil er darauf achtete, Maratulliks Hände nie zu lange anzuschauen. »Erstens, Saö-jura Meslar, bin ich in jüngeren Jahren mit meinem Meister Gerontai durch Tigarezun gereist und habe bemerkt, wie begeistert des Landes Bewohner fremdländische Vorführungen aufnehmen und wie reich sie jene belohnen, die ihnen solche Schaustellungen bieten.« Insgeheim widerte ihn die schwülstig ausgedrückte Beflissenheit seiner Äußerung an, doch sie

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