Brann 01 - Seelentrinkerin
verneigte, sich damit für das Lob bedankte. In diesen Augenblicken glich der Meslar für ihn lediglich einem Scherenschnitt, blieb gänzlich undurchschaubar, das Gesicht eine Maske, hinter der sich alles verbergen mochte, die mit glatter Zunge sprach und Gefälliges sagte. »Höchst bemerkenswert. Ich bin überaus beeindruckt, Tänzer. Tritt näher, wenn's beliebt.« Taguiloa wankte vorwärts, übertrieb es etwas mit seiner Mattigkeit, allerdings nur wenig, fragte sich, was nun bevorstehen könnte. »Für das Vergnügen, das du meinen jungen Freunden bereitet hast, empfange diesen armseligen Lohn.« Mit schwungvoller Gebärde brachte Maratullik eine schwere lederne Börse zum Vorschein, zeigte sie vor, er lächelte, als von den Sitzbänken Gejohle und Beifall ertönte.
In tadelloser Ehrerbietigkeit sank Taguiloa erneut auf das Knie. »Godalau schenke dir für deine Großzügigkeit ihren Segen, Saö-jura Meslar.«
»Mach uns mit deiner Truppe Angehörigen bekannt, Hina! Auch sie verdienen unsere Anerkennung.«
Brüstete er sich vor den Söhnen der Männer seiner Kaste, oder hatte er irgend etwas anderes im Sinn? Ließ sich der Scherenschnitt zu Gesten des Großmuts herab? Falls der Lärm, den sie veranstalteten, einen verläßlichen Gradmesser ihrer Gefühle abgab, gefiel sein Verhalten den jungen Rüpeln. Bedächtig richtete sich Taguiloa auf, hielt die Börse vor die Brust. »Dieser Jüngling ist der Hina Linjijan, der zweitbeste Flötist Sililis, der beste dortige Flötenspieler ist sein Großonkel, der hervorragende Ladjinatuai, der für die berühmte Tänzerin Schwarzdorn spielt.« Des Kaisers Linke Hand nickte. Von den Sitzbänken erscholl pflichtgemäßer Beifall. »Jener Knabe ist unser m'darjinischer Trommler Negomas.« Wie zuvor nickte die Linke Hand gemessen, und vereinzelt erklang unter den Jünglingen Händeklatschen. »Unsere Tänzerin und Daroudspielerin, die Rukkanag Harra Hazhani.« Ein Nicken der Linken Hand. Maratullik forschte in Harras Gesicht, sagte jedoch nichts. Auf den Sitzbänken stieß man Rufe und Pfiffe aus, es wurde erst wieder ruhig, als Maratullik abermals den Gong schlug. »Die Sujomann Branish Tovah, Tänzerin und Seherin.«
Maratullik forschte auch in Branns Gesicht, sagte auch diesmal nichts, beendete das Lärmen der Meslarsprößlinge, sobald er des Krawalls überdrüssig wurde, wiederum mit einem Gongschlag. »Mein Hausverwalter hat vermeldet, daß es stark regnet. Ihr erhaltet Zimmer zur Verfügung, um hier zu übernachten. Ihr könnt morgen früh ins Fremdenviertel zurückkehren.« Ohne eine Antwort Taguiloas abzuwarten, wandte er sich an Brann.
»Du kannst uns eine um so größere Freude machen, o Seherin, wenn du zugegen bleibst und uns wahrsagst.«
Brann hob den Kopf, musterte ihn kühlen Blicks. »Selbstverständlich, Saö-jura Meslar. Jedoch nur unter der Voraussetzung, daß Ihr Wachen aufstellt und sie anweist, die Begeisterung Übereifriger in Grenzen zu halten.« Unendlich langsam ließ Taguiloa den Atem aus den Lungen entweichen; Branns Entgegnung entsprach noch den Geboten der Höflichkeit, aber nur mit knapper Not. Brann, o Brann, o Brombeer-voller-Dornen, denk daran, wer dieser Mann ist und warum du hier bist!
»Du willst andeuten ...«
»Beileibe nichts, Saö-jura Meslar. Ich möchte bloß eine Warnung äußern. Meine Göttin wacht eifersüchtig über meine Person und neigt bisweilen zu überstürzten Taten.«
»Ach ja. Ich weiß einiges über die Sujomanni. Welche ihrer Gottheiten ist deine Schutzgöttin?«
»Die Hexe ohne Namen, Saö-jura Meslar, jene Alte, die des Schicksals Fäden spinnt.«
»Daher also rühren deines Daseins Auflagen. Dann ist's verständlich.« Maratullik ließ den Blick von Sitzbank zu Sitzbank schweifen, unter den übrigen Zuschauern war es jetzt ruhig — sah man von einigem Gemurmel ab —, verzog zuletzt die Lippen zu einem ebenso wohlwollenden wie freudlosen Lächeln. »So werden wir auf die Weissagungen verzichten, Seherin. Zumindest heute abend. Vielleicht sind sie dir ein anderes Mal und unter günstigeren Umständen möglich.«
»Dein Wille ist mein Wille, Saö-jura Meslar.« Brann machte eine Verneigung und wartete mit den restlichen Angehörigen der Truppe darauf, daß der Meslar sie gehen ließ.
»Ich wünschte, so wär's, Sujomann.« Maratullik schlug den Gong, und sein Hausverwalter trat vor, um Taguiloa und seine Truppe aus dem Saal zu führen.
Mit reichlich guter Laune und sehr zügig brachte die Mannschaft des
Weitere Kostenlose Bücher