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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Entflohene zur Pforte hinausgeschlüpft war, dann hastete er hinter Garrag über den Kies, der Rücken verkrampfte sich ihm aus böser Erwartung, er rechnete mit Alarmrufen oder nach ihm gesschleuderten Speeren. Fast empfand er Enttäuschung, als nichts dergleichen geschah, sobald er ebenfalls durch die Pforte gelangt war, längs an der wuchtigen weißen Mauer schlich, die das Palastgelände umgab. Jaril eilte in Gegenrichtung an ihm vorüber, kehrte durchs Portal hinter die Außenmauer zurück. Über die Schulter sah Cathar, wie die Pforte zufiel, danach ein Lichtfleck durch ihr Holz schwebte, sich wieder zu dem Knaben verdichtete. Jaril kam gelaufen, rannte erneut an ihm vorbei, winkte ungeduldig, wollte Cathar wohl zu verstehen geben, daß jetzt nicht die geeignete Stunde zur Befriedigung von Neugierde sei. Cathar hob die Schultern und grinste, verfiel in leichten Laufschritt, um die anderen einholen zu können. Slyas Segen, die beiden Kinder waren ein nützliches Paar! Er schaute zu dem fast unsichtbaren Nebelkranich hinauf, der über ihnen flog, blickte der zarten Knabengestalt nach, die sie führte. Ein wahrer Segen Slyas!
    Gleich darauf geleitete Jaril sie über die Prunkstraße und zu einer der kurzen Molen am Ufer des Sees. Am Ende der Anlegemauer lagen zwei Segelboote bereit. Indem sie so flink wie möglich handelten, verteilten Cathar und sein Bruder, Farra und ihre Schwester Fann ihre Leidensgefährten auf die Boote, setzten die Segel, machten die Leinen los. Kräftiger Wellengang herrschte, der Wind erschwerte das Segeln, und der Regen erleichterte es nicht unbedingt, aber sobald sie vom Ufer abgelegt hatten, erfüllte der Regen einen guten Zweck, er entzog sie nämlich der Sicht. Von da an war die Flucht nur noch eine Sache des Durchhaltens in Nässe und Kälte, sah man davon ab, daß es ein Kentern der Boote zu verhindern galt. Zwei Nebelkraniche flogen voran, wiesen ihnen die Richtung, bis sie sich ungefähr auf der Mitte des Sees befanden; dann flog ein Kranich voraus, um sich der Wächter an der Stelle anzunehmen, wo die Wasser der Seenplatte in den Palachunt übergingen.
    Als Cathar sein Boot in die Strömung zum Fluß lenkte, leuchteten wie üblich zwischen den Wachtürmen die Aufreihungen großer Laternen, erhellten den Fluß so gründlich, daß Schmuggler oder Störenfriede keine dunklen Bereiche finden konnten, an denen sie unbemerkt durchzuschlüpfen vermocht hätten. Cathar kaute auf der Unterlippe, aber der Nebelkranich, der die Führung hatte, flog so ruhig und gelassen über die Türme hinweg, daß er versuchte, gleichfalls Gelassenheit zu bewahren, den Kindern zu vertrauen. Etwas Dunkles schwang sich seitlich in Cathars Blickfeld empor, dann waren es wieder zwei Nebelkraniche, die über ihnen durch die Wolken schwebten. Von den Türmen erschollen keine Rufe, keine Katapulte verschleuderten Steine nach den Segelbooten. Slyas Segen, welch ein Paar!
    Sie umsegelten eine Anzahl vertäuter Handelsschiffe, im Dunkeln und im Sturm eine heikle Aufgabe, bei der die Strömung des Flusses ebenso hinderlich war wie hilfreich; schließlich verflüchtigten sich die beiden Kraniche über den Masten eines kleineren Schiffs, das etwas abseits von den anderen Schiffen vertäut lag, zu schimmernden Lichtkugeln.
    Als sie an diesem Schiff längsgingen, beugte sich ein breitschultriger, kraftvoll gewachsener Mann über die Reling, ein Panday, an dessen Ohr ein augenfälliger Ohrschmuck klingelte, warf Cathar ein Tau zu. »Willkommen, Freund!« rief er herab. »Spantenratt, die Netze übers Schanzkleid!«
    Taguiloa wirbelte über die Matten, vollführte mit dem Schwung einer Sprungfeder zwei Rückwärtsüberschläge, dann eine Drehung, landete auf den Händen, stieß sich sofort mit ihnen vom Boden ab und kam dadurch zurück in die Lotrechte, auf die Beine, ließ sich zum Schluß zu einer tiefen Verbeugung aufs Knie sinken, während hinter ihm die Musik ebenso plötzlich verstummte.
    Zuerst bewahrten die Zuschauer Schweigen, dann brach Beifall aus, man rief nach mehr, wollte mehr sehen. Doch Taguiloa war vollkommen erschöpft, sich nicht einmal sicher, ob er sich aufzurichten vermochte. Er verharrte in der Verbeugung, die Arme zunächst ausgestreckt, dann stützte er sie aufs Knie.
    Maratullik schlug den an seiner Seite aufgestellten Gong, und der Beifall verklang. Er beugte sich vor. »Eine bemerkenswerte Darbietung.« Er beobachtete Taguiloa, während er sich schwerfällig erhob und aus der Hüfte nochmals

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